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Zwei beste Freunde im Regen - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 4. Juni
  • 4 Min. Lesezeit

Fips und Miko sitzen unter einem Baum

Es war ein milder Frühlingsabend, und obwohl der Himmel grau und schwer war, duftete der Wald nach frischem Gras, nasser Erde und dem süßen Aroma junger Blätter. Die Sonne war kaum noch zu sehen, ihr Licht streifte nur noch matt durch die Baumwipfel, und am Horizont rollten langsam dunkelblaue Regenwolken heran.


Am Rand des Waldes, unter einem alten Brombeerbusch, wohnte Fips, ein kleiner Igel mit hellbraunen Stacheln und einer neugierigen Schnauze. Er liebte es, auf Entdeckungstour zu gehen, egal bei welchem Wetter.


Fips war klug, aber noch mehr war er treu – denn das Wichtigste für ihn war sein allerbester Freund: Miko, ein junger Hase mit langen, schlaksigen Beinen, wuscheligem Fell und den größten Ohren, die man sich vorstellen konnte. Die beiden waren unzertrennlich, seit sie sich vor einem Jahr beim Nüssesammeln kennengelernt hatten.


An diesem Tag hatten sie sich zum Spielen verabredet, trotz der drohenden Wolken. Fips klopfte aufgeregt mit der Pfote gegen Mikos Baumwurzel-Höhle.


„Miko! Bist du wach? Komm schon, der Tag wartet nicht!“, rief er durch das Blätterdach.


Miko streckte verschlafen seinen Kopf heraus, schüttelte sich und gähnte herzhaft.

„Fips, es sieht nach Regen aus. Können wir nicht einfach Geschichten erzählen und trockene Löwenzahnplätzchen essen?“


Fips grinste. „Aber dann verpassen wir das Abenteuer. Regen ist nur Wasser, und wir sind doch keine Zuckerhasen, oder?“


Miko schnaubte. „Na schön. Aber wehe, ich verliere eine Pfote im Matsch.“

Die beiden zogen los, vorbei an moosbedeckten Steinen, unter singenden Vögeln hindurch, die sich schon Schutz suchten, und zwischen Farnen, die sich leise im Wind wiegten. Der Regen begann bald – zuerst nur Tropfen, die neugierig vom Himmel fielen, dann ein stetiges Prasseln, das sich wie Musik auf den Blättern anfühlte.


Sie sprangen durch Pfützen, sammelten Schneckenhäuser und fanden sogar eine halb versteckte Eichel, die im nassen Laub glänzte wie ein kleiner Schatz. Fips lachte, als Miko über einen Ast stolperte und eine unfreiwillige Rutschpartie hinlegte.

„Du bist ein Naturtalent für Wasserballett!“, rief Fips und kicherte.


Miko stand auf und schüttelte sich theatralisch. „Dann bist du mein Publikum. Und ich verlange Applaus!“


Doch je tiefer sie in den Wald vordrangen, desto dichter wurde der Regen, und die Welt um sie herum verlor ihre freundliche Farbe. Die Tropfen wurden schwer und kalt, der Wind pfiff durch die Äste, und dunkle Wolken verdunkelten selbst das letzte Licht.


„Fips... ich glaube, wir sind nicht mehr auf dem richtigen Weg,“ sagte Miko nach einer Weile leise.


Fips schaute sich um. Die vertrauten Steine waren weg, kein Moosweg, keine Spuren mehr. Alles sah gleich aus – nass, grau und fremd.


„Wir sind zusammen, das ist, was zählt,“ sagte Fips ruhig, obwohl er innerlich ein wenig zitterte. „Wir finden den Weg zurück. Versprochen.“


Der Regen wurde stärker. Sie duckten sich unter eine große Eiche, deren Äste wie schützende Arme über ihnen hingen. Das Wasser tropfte in langsamen Tropfen auf den Waldboden, und in der Ferne grollte ein Donner.


Miko bibberte. „Ich hab kalte Pfoten. Und Hunger.“


„Ich auch,“ sagte Fips und rückte näher. „Weißt du noch, wie wir bei Gewitter in der Blätterhöhle gezeltet haben? Wir waren mutiger als die Krähen!“


„Ja, und wir haben uns Apfelscheiben geteilt,“ sagte Miko und lächelte ein bisschen. „Die hab ich dir aus meinem Geheimversteck geholt.“


„Du bist der beste Freund, Miko,“ sagte Fips leise.


Nach einer Weile beschlossen sie, weiterzugehen. Sie hatten keine Karte, keine Sonne zur Orientierung, nur ihr Gefühl – und einander. Fips erinnerte sich an eine alte Baumwurzel, die aussah wie eine Schildkröte, und daran, dass in der Nähe leuchtendes Moos wuchs. Wenn sie das finden würden, wäre der Weg nach Hause nicht mehr weit.


„Halt die Augen offen. Wir suchen das grüne Moos. Es riecht wie Zitrone, erinnerst du dich?“


Sie stapften durch den Regen, der Wald wirkte fremd, fast wie ein anderer Ort. Manchmal blieb Miko stehen und lauschte – dann hörten sie das Tropfen, das Rascheln, ein Knacken in der Ferne. Es war, als würde der Wald atmen.


Einmal rutschte Fips aus und fiel der Länge nach in eine große Pfütze. Miko packte ihn sofort und half ihm hoch.


„Jetzt hast du Schlamm in den Stacheln. Du siehst aus wie ein Moosball.“


„Dann bin ich eben ein Moosball auf Abenteuerreise,“ keuchte Fips, aber er musste lachen.


Dann, endlich, ein Leuchten zwischen zwei Büschen. Moos – hellgrün, saftig, wie ein Teppich. Und dahinter: der kleine Fluss! Das sanfte Rauschen war wie Musik in ihren Ohren. Sie kannten diesen Ort! Der Fluss floss nur ein paar Schritte von ihren Höhlen entfernt vorbei.


„Wir haben’s geschafft!“, rief Miko. Seine Stimme war fast ungläubig.


„Ich hab’s dir gesagt: Zusammen schaffen wir alles.“, sagte Fips. Und diesmal lächelten sie beide, ganz still, ganz stolz.


Als sie schließlich zurück bei ihren Höhlen ankamen, war es bereits Abend. Der Himmel war noch immer grau, aber der Regen ließ langsam nach. Ein letzter Donner rollte über die Baumwipfel, dann war es still. In Fips’ Bau war es warm und trocken.


Sie machten sich ein Lager aus Blättern und Gras, tranken ein paar Tropfen Regenwasser, das Miko in einem großen Blatt gesammelt hatte, und teilten eine Handvoll Haselnüsse.


„Weißt du was?“, sagte Miko, als er sich hinlegte. „Das war der schlimmste und beste Tag zugleich.“


„Weil wir uns hatten,“, sagte Fips.


„Weil wir uns immer haben,“, flüsterte Miko. Und dann war nur noch ihr Atem zu hören, ruhig und zufrieden.


Draußen rauschte der Regen weiter durch die Nacht, aber in der kleinen Höhle schliefen zwei Freunde, eingekuschelt nebeneinander, mit warmen Herzen und dem Wissen, dass wahre Freundschaft auch im Sturm bestehen bleibt.

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