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Der kleine Stern, der nicht funkeln wollte - eine verträumte Gute-Nacht-Geschichte für Kinder

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 19. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit
Der kleine Stern leuchtet am Nachthimmel

Der kleine Stern, der nicht funkeln wollte, hing ganz am Rand des riesigen, tiefschwarzen Nachthimmels. Um ihn herum funkelten tausende Sterne in allen Farben und Größen, wie winzige Diamanten, die jemand sorgsam in ein Meer aus Dunkelheit gestreut hatte.


Manche glitzerten kühl und blau, andere warm und golden, und sie alle schienen miteinander zu reden, lachten und blinkten einander geheimnisvolle Zeichen zu. Nur einer blieb still – der kleine Stern, der nicht funkeln wollte.


Er war jünger als viele der anderen Sterne, kaum aus einer glühenden Nebelwolke geboren, und noch nicht sicher in seiner eigenen Strahlkraft.


In seinen ersten Nächten hatte er versucht, so hell zu leuchten wie die anderen, aber sein Licht blieb schwach, fast durchsichtig. Die alten Sterne hatten freundlich gelächelt, doch einige der jungen, übermütigen funkelten spöttisch.


„Sieh dir den kleinen Grauen an,“ flüsterten sie, „er ist kaum mehr als ein Schatten!“ Das hatte den kleinen Stern tief getroffen. Seitdem hatte er beschlossen, gar nicht mehr zu funkeln.


Nacht für Nacht glitt der Mond an ihm vorbei. Der Mond war alt, weise und freundlich, und seine Stimme klang, als würde jemand in einer Höhle singen, leise und rund. Eines Abends, als die Milchstraße wie ein leuchtender Fluss über den Himmel rann, blieb der Mond direkt neben ihm stehen.


„Kleiner Stern,“ sagte er sanft, „warum bleibst du dunkel, wenn doch in dir das gleiche Licht brennt wie in uns allen?“


Der kleine Stern seufzte, und sein Licht glimmte einen Augenblick lang schwach auf. „Weil mein Funkeln zu schwach ist,“ antwortete er. „Ich habe es versucht, aber niemand hat es bemerkt. Ich bin zu klein, zu unscheinbar, zu weit weg.“


Der Mond schmunzelte weise. „Manche Lichter sind nicht dafür da, alle zu blenden. Manche sind da, um die Dunkelheit an genau der richtigen Stelle zu erhellen.“


Doch der kleine Stern verstand das nicht. Er dachte, dass nur die hellen Sterne wirklich wichtig seien. Also blieb er still und dunkel, Nacht für Nacht, bis selbst die Sternschnuppen an ihm vorbeizogen, ohne ihn zu bemerken.


Eines Abends, als ein kühler Herbstwind über die Erde strich und die Blätter unten in den Wäldern raschelten, geschah etwas Besonderes. Tief unten in einem kleinen Dorf am Rande eines Sees saß ein Mädchen an ihrem Fenster.


Ihr Name war Livia. Sie war acht Jahre alt, hatte braune Locken und Augen, in denen sich das Mondlicht spiegelte. Livia konnte nicht schlafen, weil sie traurig war.


Ihre Lieblingspuppe, die sie von ihrer Großmutter bekommen hatte, war am Nachmittag in den See gefallen. Sie hatte versucht, sie zu retten, war aber zu spät gekommen.


Nun saß sie am Fenster, zog die Knie an sich und blickte hinauf in den Himmel. Der Mond war groß und rund, und die Sterne glitzerten wie tausend winzige Tränen. Sie flüsterte leise: „Wenn doch nur einer dieser Sterne mir zuhören könnte.“


Der kleine Stern hörte sie. Er hatte sich an die Dunkelheit gewöhnt und achtete selten darauf, was auf der Erde geschah. Aber diese leise, zitternde Stimme drang bis in sein Herz aus Licht. Etwas in ihren Worten ließ ihn innehalten.


Er sah hinunter, so weit sein Blick reichte, und sah das Mädchen mit den braunen Locken am Fenster sitzen. „Vielleicht braucht sie mich,“ dachte er. „Vielleicht ist mein Licht genau für sie gemacht.“


Also holte er tief Luft – zumindest fühlte es sich für ihn so an – und versuchte, ein kleines bisschen zu funkeln. Erst war es nur ein zartes Glimmen, kaum sichtbar, wie ein Flüstern aus Licht. Doch unten auf der Erde hob Livia den Kopf.


„Oh,“ sagte sie überrascht, „da ist ja ein neuer Stern! So klein, aber er leuchtet nur für mich!“


Diese Worte trafen den kleinen Stern mitten in sein Herz. Sein Licht wurde ein wenig heller, warm und weich wie Kerzenschein. Die anderen Sterne bemerkten es erstaunt. „Sieh an,“ rief ein alter Stern mit tiefem, goldenem Glanz, „der kleine Dunkle hat sein Licht gefunden!“


Der kleine Stern fühlte zum ersten Mal Stolz – nicht den lauten, funkelnden Stolz der hellen Sterne, sondern einen stillen, leisen Stolz. Der Mond lächelte und sagte: „Siehst du, kleiner Freund? Dein Licht ist nicht zu schwach. Es hat nur gewartet, bis jemand es wirklich braucht.“


Von dieser Nacht an beobachtete der kleine Stern das Mädchen jeden Abend. Er sah, wie sie mit ihrer Mutter lachte, wie sie im Garten spielte und wie sie manchmal einfach nur still in den Himmel schaute. Immer, wenn sie traurig war, leuchtete er ein wenig heller, als wollte er sagen: „Ich bin hier. Du bist nicht allein.“


Manchmal erzählte Livia ihm Geschichten, ganz leise, nur für ihn. Sie erzählte von ihren Träumen, von der Puppe, die sie vermisste, und von den Dingen, die sie glücklich machten. „Du bist mein Stern,“ sagte sie eines Abends, „mein ganz eigener kleiner Stern.“


In dieser Nacht schien das Licht des kleinen Sterns bis in die Baumkronen zu tanzen. Der See glitzerte, als hätte jemand silbernen Staub darüber gestreut. Selbst die Fische, die unter der Wasseroberfläche schliefen, bewegten sich ein wenig, als wollten sie das Licht willkommen heißen.


Die Jahre vergingen, und Livia wuchs heran. Sie ging zur Schule, fand Freunde und wurde älter, doch sie vergaß ihren kleinen Stern nie. Auch wenn sie manchmal spät nach Hause kam, schaute sie immer noch kurz in den Himmel und suchte nach ihm.


Und jedes Mal, wenn sie ihn fand, blinkte er ihr ein kleines, zartes Licht entgegen.

Als sie erwachsen war, erzählte Livia ihrer kleinen Tochter dieselbe Geschichte.


Sie zeigte ihr den Himmel und sagte: „Siehst du diesen kleinen Stern dort drüben, der ein bisschen zittert, als wäre er schüchtern? Das ist der kleine Stern, der nicht funkeln wollte. Aber jetzt leuchtet er, weil er jemanden gefunden hat, der ihn sieht.“


Der kleine Stern hörte diese Worte, und sein Licht wurde stärker als je zuvor. Er wusste nun, dass sein Funkeln mehr bedeutete, als nur hell zu sein. Es bedeutete, Hoffnung zu schenken – selbst wenn es nur ein winziger Schimmer war, irgendwo im riesigen Himmel.


Und so leuchtete er weiter, Nacht für Nacht, Jahr für Jahr, über Wälder, Städte und Seen. Und wenn jemand traurig war oder sich einsam fühlte und den Blick zum Himmel hob, konnte es geschehen, dass er plötzlich ein kleines, warmes Licht sah, das genau für ihn aufleuchtete.


Dann flüsterte der Wind leise durch die Dunkelheit: „Das ist der kleine Stern, der einst nicht funkeln wollte. Jetzt leuchtet er für alle, die Licht brauchen.“


Und wer ihn sieht, weiß tief in seinem Herzen, dass selbst das kleinste Licht die dunkelste Nacht erhellen kann – wenn es nur von Liebe getragen wird.

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