Raan und die Prüfung zum Wikinger - eine starke Geschichte zum Vorlesen
- Michael Mücke

- 11. Sept.
- 5 Min. Lesezeit

Es war einmal in einem abgelegenen Dorf an den windgepeitschten Küsten des Nordens, wo das Meer in wilden Wellen an die felsigen Klippen schlug und die alten Götter noch immer in den Geschichten der Ältesten lebten.
Das Dorf war von stolzen Wikingern bewohnt, deren Geschichten von Heldentaten und Abenteuern von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Unter diesen Wikingern wuchs ein Junge namens Raan auf, der das Erbe seines Vaters, eines legendären Kriegers, tragen sollte. Doch Raan hatte noch keinen eigenen Namen in den Sagen des Volkes, und das war ihm ein großes Anliegen.
Seit er ein kleines Kind war, hatte er von den Prüfungen der Wikinger geträumt, von den Herausforderungen, die ihn zu einem wahren Krieger machen würden. Aber er wusste, dass er noch nicht bereit war. Der Weg zum Wikinger war hart, und nur wer die Prüfungen des Stammes bestand, durfte sich mit Stolz ein echter Krieger nennen.
Diese Prüfungen wurden jedes Jahr abgehalten und forderten sowohl Mut als auch Weisheit, Entschlossenheit und Kraft. Viele junge Krieger hatten sie versucht, doch nur die wenigsten hatten sie bestanden.
Es war ein Tag im späten Sommer, als der Stammesführer, ein weiser und erfahrener Krieger namens Thorvald, das Dorf versammelte. „Die Zeit ist gekommen, Raan,“ sprach er mit fester Stimme und blickte in die Menge. „Die Ältesten haben entschieden, dass du bereit bist, dich der Prüfung zu stellen.“
Ein Raunen ging durch die Menge, und Raan spürte, wie sein Herz schneller schlug. Es war der Moment, auf den er so lange gewartet hatte. Doch er wusste auch, dass dies kein einfacher Weg werden würde.
„Die Prüfung zum Wikinger ist lang und gefährlich. Du wirst Herausforderungen meistern müssen, die nicht nur deinen Körper, sondern auch deinen Geist und dein Herz prüfen. Du wirst dich der Wildnis stellen, den Göttern begegnen und dich mit deinen eigenen Ängsten auseinandersetzen. Nur wer diese Prüfungen übersteht, wird als Krieger anerkannt. Sei dir dessen bewusst.“
Thorvald trat einen Schritt vor und sah Raan tief in die Augen. „Bist du bereit?“
Mit einem festen Nicken erwiderte Raan: „Ich bin bereit.“
„Dann geh und kehre als Krieger zurück!“ sagte Thorvald und gab ihm das heilige Schwert der Wikingervorfahren, ein altes, glänzendes Schwert, das von den Göttern selbst geschmiedet worden war.
Raan verließ das Dorf mit einem letzten Blick auf die vertrauten Hütten und den schimmernden Ozean. Er wusste, dass er sich einer Reihe von Prüfungen stellen musste, die niemand im Dorf je genau beschrieben hatte. Nur die ältesten Krieger wussten von den Herausforderungen, und sie sprachen nur selten darüber.
Die erste Prüfung war der „Pfad des Sturms“.
Raan musste durch einen wilden, unbändigen Sturm wandern, der vom Himmel herabzog und die Küstenregion mit unbarmherzigen Winden und Regen überflutete.
Der Sturm war magisch und wurde von den Göttern des Himmels geschickt, um die Standhaftigkeit des Kriegers zu testen. Der Wind peitschte Raan ins Gesicht, und der Regen schlug ihm wie kleine Pfeile ins Gesicht.
„Der Sturm wird mich nicht bezwingen,“ dachte er sich, als er sich entschlossen gegen den Wind stemmte. Der Boden war matschig, und die Bäume bogen sich unter der Wucht des Sturms.
Doch Raan hielt seinen Kurs, immer weiter, Schritt für Schritt, bis er endlich einen sicheren Ort fand, eine Höhle, in der der Sturm etwas schwächer wurde. Dort wartete er aus, bis der Himmel sich klärte.
Als der Sturm endlich nachließ und die Sonne wieder durch die Wolken brach, wusste Raan, dass er die erste Prüfung bestanden hatte. Doch die Prüfungen wurden härter und gefährlicher.
Die zweite Prüfung, die „Höhle der Dunkelheit“, war noch gefährlicher. In den Tiefen eines Berges, den niemand je vollständig erkundet hatte, wartete ein finsteres Labyrinth auf ihn.
„Die Dunkelheit selbst wird dich herausfordern,“ hatte Thorvald gewarnt. „Du musst deinen Weg finden, ohne dich von der Finsternis überwältigen zu lassen.“
Raan stieg tief in den Berg hinab, das Schwert fest in der Hand. Schon bald war er von der Dunkelheit umhüllt. „Ich werde den Weg finden,“ dachte er. Doch die Dunkelheit schien ihn zu erdrücken.
Er konnte kaum noch atmen, so dicht war die schwarze Nacht. In der Stille hörte er das Flüstern der Geister derer, die in den Tiefen des Berges gestorben waren. Sie flüsterten ihm seine Ängste zu und versuchten, ihn von seinem Weg abzubringen.
„Du bist schwach,“ flüsterte eine Stimme. „Du wirst den Weg niemals finden.“
Doch Raan erinnerte sich an die Worte seines Vaters: „Ein wahrer Krieger gibt niemals auf, auch wenn die Dunkelheit ihn umhüllt. Der Weg wird immer zum Licht führen, wenn du an dich glaubst.“
Mit diesem Gedanken im Kopf ging er weiter. Schließlich, nach Stunden der Orientierungslosigkeit, entdeckte er ein schwaches Licht in der Ferne. Es war der Ausgang der Höhle, und als er schließlich ins Tageslicht trat, wusste er, dass er die zweite Prüfung bestanden hatte. Doch auch hier war noch nicht Schluss.
Die dritte und letzte Prüfung war die gefährlichste von allen: „Das Gericht der Götter.“ Auf einem hohen Berggipfel, von dem aus man das ganze Land überblicken konnte, würde er vor den Göttern selbst erscheinen müssen.
Diese Prüfung war ein Test seines Herzens und seines Mutes. Er wusste, dass er sich einer Entscheidung stellen würde, die sein Schicksal für immer bestimmen sollte.
Als er den Gipfel erreichte, sah er plötzlich eine Gruppe von Gestalten vor sich – die Götter selbst. Thor, der Gott des Donners, Odin, der Allvater, und Freya, die Göttin der Liebe und des Krieges, standen dort, ihre Augen wie Sterne, die den Himmel durchbrachen. „Raan,“ sprach Odin mit einer Stimme, die wie das Echo der Erde klang, „du hast die Prüfungen der Natur, der Dunkelheit und der Wildnis gemeistert. Doch nun musst du dich einer Frage stellen. Was ist der wahre Wert eines Kriegers?“
Raan dachte nach. Die Antwort kam nicht sofort, aber schließlich sprach er: „Ein Krieger kämpft nicht nur mit seinem Schwert, sondern mit seinem Herz. Der wahre Wert eines Kriegers liegt in seinem Mut, seiner Hingabe und seiner Weisheit, auch in den dunkelsten Zeiten.“
Die Götter blickten sich an, und ein Lächeln zog sich über Freyas Lippen. „Du hast weise gesprochen, Raan. Du hast das Herz eines wahren Kriegers. Du bist nun ein Wikinger.“
Thor schritt vor und legte ihm die Axt des Kriegers in die Hand. „Du hast das Erbe der Götter und der Wikinger in dir. Kämpfe mit Ehre und weise!“ sagte er.
Raan fiel auf die Knie, dankte den Göttern und kehrte mit der Axt und dem Wissen, dass er nun ein echter Krieger war, zu seinem Dorf zurück. Dort wurde er von seiner Familie und den Dorfbewohnern mit offenen Armen empfangen. Er hatte die Prüfungen gemeistert und war nun Teil einer stolzen Linie von Wikingern.
Aber tief in seinem Inneren wusste er, dass die wahre Reise eines Kriegers niemals endet. Und so begann Raan, seine eigenen Geschichten zu schreiben, Geschichten von Mut, Weisheit und dem unerschütterlichen Glauben an die Götter des Nordens.




