Lenny, der verrückteste Präriehund der Savanne - eine einzigartige Gute-Nacht-Geschichte
- Michael Mücke

- 12. Nov.
- 4 Min. Lesezeit

Lenny war kein gewöhnlicher Präriehund, obwohl er das selbst nie so richtig bemerkt hatte. Er lebte mitten in einer weiten, trockenen Savanne, in der normalerweise keine Präriehunde wohnten. Doch Lenny hatte sich verirrt, irgendwann zwischen einem zu langen Nickerchen in einem Transportkorb und einem besonders stürmischen Wind, der ihn samt Kiste einfach davongeweht hatte.
Seitdem war er hier, mitten im Nirgendwo, und tat, was er am besten konnte – völligen Unsinn anstellen. Jeden Morgen stand Lenny viel zu früh auf, weil er überzeugt war, dass die Sonne nur aufging, wenn er laut genug nieste.
Also stand er auf seinem Hügel, reckte seine winzigen Arme in den Himmel und rief: „A-a-a-atschiii!“ Danach sah er zufrieden, wie die Sonne langsam am Horizont erschien, und grinste stolz. Niemand konnte ihm ausreden, dass das nicht sein Werk war.
Eines Tages beschloss Lenny, dass er einen Beruf brauchte. Er hatte irgendwo gehört, dass jedes Tier in der Savanne etwas Wichtiges tat. Die Gnus wanderten, die Löwen ruhten majestätisch, die Zebras galoppierten in Herden, und die Erdmännchen hielten Wache. Nur Lenny hatte keinen Plan, wofür er eigentlich da war.
Er versuchte zuerst, ein Löwe zu werden. Er stellte sich auf einen Stein, machte die Brust breit und brüllte so laut er konnte. Heraus kam allerdings nur ein quietschendes „Rrraaaa…ehm…tschiep!“
Das Echo lachte ihn aus, und ein echter Löwe in der Nähe brummte genervt. Lenny beschloss, dass Brüllen anstrengend und gefährlich war.
Am nächsten Tag wollte er ein Flamingo werden, weil die so elegant auf einem Bein standen.
Er suchte sich einen kleinen Tümpel, stellte sich auf ein Bein und rief: „Seht her, ich bin wunderschön!“ Nach drei Sekunden fiel er um, platschte ins Wasser und erschreckte einen Frosch so sehr, dass der fast rückwärts sprang.
Dann wollte Lenny ein Elefant werden. Er bastelte sich aus Schilfrohr einen langen Rüssel und trompetete stolz. Leider sog er dabei aus Versehen eine dicke Fliege ein. Husten, Niesen und wildes Wedeln folgten, bis er sich schnaubend auf den Boden warf. „Vielleicht bin ich einfach… ein besonderer Elefant,“ japste er zwischen zwei Hustenanfällen.
Trotz seiner Missgeschicke war Lenny nie traurig. Stattdessen kicherte er über alles, was schiefging, und fand jedes neue Problem aufregend. Einmal wollte er seine Höhle ausbauen und hatte die Idee, den Eingang größer zu machen, damit er „wie ein echtes Savannen-Tier“ wirken würde. Nach zwei Stunden Graben stürzte der Eingang ein, und Lenny steckte kopfüber fest, während nur noch sein Schwanz wackelte.
Als ein vorbeilaufendes Erdmännchen fragte, ob er Hilfe brauche, rief Lenny nur: „Nein, nein, ich teste die Schwerkraft!“
Abends, wenn die Sonne unterging, saß Lenny oft auf seinem Hügel und redete mit sich selbst. Er stellte sich vor, er sei ein Entdecker, ein Forscher oder vielleicht ein Zauberer, der mit Sand reden konnte. Er war überzeugt, dass der Wind ihn manchmal antworten ließ. „Was meinst du, Wind?“ fragte er.
„Soll ich morgen ein Gnu werden?“ Der Wind pfiff leise vorbei, und Lenny nickte ernst. „Gut, ich wusste, du würdest das sagen.“
Eines Nachts, als der Himmel besonders klar war, sah Lenny viele kleine Lichter über sich funkeln. Er hatte keine Ahnung, was Sterne waren, also beschloss er, dass es Glühwürmchen waren, die in den Himmel geflogen waren, um Urlaub zu machen.
„Das mach ich auch mal!“ rief er begeistert, nahm Anlauf und sprang. Leider landete er einfach wieder im Sand, aber er lachte, hustete ein bisschen und sagte zufrieden: „Vielleicht beim nächsten Sprung.“
Am nächsten Morgen wachte Lenny mit Sand in den Ohren und einem Plan im Kopf auf. Er wollte einen riesigen Turm bauen, um den Himmel zu erreichen. Stundenlang schleppte er Zweige, Steine und trockene Gräser zusammen, balancierte, rutschte, stürzte und fing wieder an. Nach unzähligen Versuchen stand tatsächlich ein wackeliger Turm vor ihm, fast so hoch wie ein Baum. „Ich bin ein Genie!“ rief er stolz.
Er kletterte hinauf, wackelte, schaukelte und rief oben angekommen: „Ich bin der König der Savanne!“ In diesem Moment knackte der Turm, fiel krachend in sich zusammen, und Lenny landete mit einem dumpfen Plopp im weichen Sand.
Einen Moment lang lag er still, dann lachte er laut. „Na gut, vielleicht bin ich der König des Chaos!“
Die anderen Tiere beobachteten ihn manchmal heimlich und wussten nicht so recht, was sie von ihm halten sollten. Manche hielten ihn für verrückt, andere für ein bisschen dumm. Aber alle mussten zugeben, dass es nie langweilig wurde, wenn Lenny in der Nähe war. Selbst die mürrischen Hyänen kicherten über seine Einfälle.
Als der Abend kam und die Sonne tief stand, setzte sich Lenny wieder auf seinen Lieblingshügel. Er schaute auf die Savanne, die langsam in goldenes Licht getaucht wurde, und sagte leise zu sich: „Vielleicht muss ich gar nichts Besonderes sein. Vielleicht bin ich einfach… Lenny.“
Dann gähnte er, rollte sich in seinem Sandloch zusammen und murmelte im Halbschlaf: „Morgen werde ich ein Nilpferd. Oder vielleicht ein Stein. Mal sehen.“
Und während der Wind leise über die trockene Ebene strich, schnarchte Lenny zufrieden, mitten in seiner verrückten kleinen Welt.




