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Die Nacht, in der der Strom ausfiel - Gute-Nacht-Geschichte für Kinder

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 22. Juni
  • 4 Min. Lesezeit
Nora und ben sitzen auf der Terrasse mit ihrem Papa

Es war ein Mittwochabend im frühen Herbst, in einem ruhigen Wohngebiet am Rande der kleinen Stadt Lindenfeld. Die Luft draußen war frisch, aber noch nicht kalt, und von irgendwoher roch es nach Kaminholz. In einem gelb gestrichenen Haus mit rotem Dach lebte die neunjährige Nora mit ihrem kleinen Bruder Ben, der sieben war, und ihren Eltern.


Drinnen war es gemütlich. In der Küche stand ein Topf mit warmem Kakao, im Wohnzimmer lief das Radio leise, und Nora saß im Sessel und las ein Buch über Erfinder. Ben baute auf dem Teppich eine riesige Eisenbahnstrecke aus Holzschienen und Brücken.


Draußen wurde es langsam dunkel. Die Straßenlaternen sprangen an, eine nach der anderen. Papa war noch nicht lange von der Arbeit zurück und Mama räumte gerade die Wäsche im Flur zusammen.


Alles war ganz normal, bis es das plötzlich nicht mehr war.


Mit einem einzigen „Klack!“ ging alles aus. Das Licht. Das Radio. Der Kühlschrank. Der Fernseher. Die Laterne vor dem Fenster. Einfach alles. Kein Surren, kein Piepen, keine vertrauten Geräusche mehr. Nur Dunkelheit und Stille.


„Was war das?“, fragte Ben leise. „Ich glaube, der Strom ist weg“, sagte Nora und stand vorsichtig auf. Sie konnte ihre eigenen Schritte kaum hören.


„Mama?“, rief Ben in Richtung Flur. „Alles gut, Kinder“, kam Mamas Stimme zurück, „ich hole die Taschenlampen.“


Ein paar Sekunden später ging die Tür auf und ein schwacher Lichtkegel durchzog das Wohnzimmer. Die Taschenlampe wackelte ein wenig – Mama hielt sie in einer Hand und in der anderen trug sie eine große Kerze, die sie in einer Glasschale auf den Tisch stellte.


„Papa ist gerade im Keller, er schaut, ob bei uns ein Problem ist oder ob es in der ganzen Straße dunkel ist.“


„Es ist wirklich überall dunkel“, sagte Nora, die zum Fenster ging. „Sogar der Supermarkt unten an der Ecke ist schwarz.“


Sie standen eine Weile still da. Das ganze Haus fühlte sich fremd an, obwohl alles wie immer war. Nur ohne Strom. Ohne Licht. Ohne Geräusche. Und das machte es irgendwie aufregend. Und ein klein wenig gruselig.


„Ich finde das irgendwie spannend“, sagte Ben plötzlich. „Als wären wir in einer Höhle.“


„Oder in einem alten Schloss“, fügte Nora hinzu.


Mama lachte leise. „Na, dann brauchen die Schlossbewohner wohl noch ein paar Kerzen. Helft ihr mir, welche zu finden?“


Die drei suchten in Schubladen, Schränken und Kisten. In der hintersten Ecke des Wohnzimmerschranks fanden sie eine Blechdose mit Teelichtern, eine große rote Kerze von Weihnachten und sogar eine kleine Campinglampe. Als Papa aus dem Keller zurückkam, war das Wohnzimmer in ein flackerndes, warmes Licht getaucht.


„Es ist ein regionaler Stromausfall“, erklärte er. „Ein Transformator ist ausgefallen. Kann ein paar Stunden dauern.“


„Also kein Fernsehen, keine Musik und kein Internet?“, fragte Ben ungläubig.


„Richtig“, sagte Papa und grinste. „Aber vielleicht ist das genau die richtige Gelegenheit, etwas zu erleben, was sonst verloren geht.“


Er öffnete die Terrassentür, und frische Luft strömte ins Wohnzimmer. „Wie wäre es mit einer Nachtwanderung ums Haus?“


„Im Dunkeln?“, fragte Nora zögerlich. „Mit Taschenlampen natürlich“, sagte Papa. „Wir gehen nur im Garten. Wer weiß, was wir alles entdecken.“


Zehn Minuten später standen sie alle draußen, eingemummelt in Jacken und mit Taschenlampen in der Hand. Es war still. Kein Motorenbrummen, keine Straßenbeleuchtung, kein Lichtschein vom Supermarkt. Nur Dunkelheit, das Rascheln von Blättern im Wind, und über ihnen ein Himmel, so voller Sterne, wie Nora ihn noch nie gesehen hatte.


„Schaut mal! Da ist der große Wagen!“, rief Papa und zeigte nach oben. „Und da, das ist Cassiopeia!“, sagte Mama stolz.


„Warum sehen wir das sonst nie?“, fragte Ben.


„Weil das Licht der Stadt die Sterne überstrahlt“, erklärte Papa. „Aber heute… ist es fast wie auf dem Land.“


Sie schlichen durch den Garten. Ihr Kater Max lief ihnen neugierig hinterher, als spürte auch er, dass etwas Besonderes in der Luft lag. Unter einem Busch blitzten plötzlich zwei kleine Augen im Taschenlampenschein.


„Ein Igel!“, flüsterte Ben. Der Igel erstarrte, schnüffelte dann kurz und trappelte gemütlich weiter.


Im Geräteschuppen hinter dem Haus fanden die Kinder Papas alte Campingkocher und eine Gaskartusche.


„Können wir Kakao draußen machen?“, fragte Nora mit glänzenden Augen. „Wenn ihr mir helft – auf jeden Fall“, sagte Papa.


Wenig später saßen sie alle auf der Terrasse, mit dampfenden Tassen in der Hand. Die Flamme des Campingkochers glühte noch leise. Max sprang auf Noras Schoß und rollte sich ein. Sie hörten nur das Knistern der Flamme und das gelegentliche Rascheln in den Bäumen.


„Ich glaube, das ist der schönste Abend, den wir seit Langem hatten“, sagte Mama leise.


„Ohne Fernsehen und ohne WLAN“, murmelte Nora, „aber mit allem, was wichtig ist.“ „Und das ganz ohne Plan“, fügte Ben stolz hinzu.


Später, als sie wieder im Haus waren, richtete Papa im Wohnzimmer eine kleine Matratzenlager-Ecke ein. „Heute schlafen wir alle hier zusammen. Lagerfeuerstimmung im Wohnzimmer“, sagte er.


Mit dicken Decken, dem Flackern der letzten Kerze und Max an ihren Füßen schliefen die Kinder ein. Und irgendwann, mitten in der Nacht, klickte irgendwo im Haus eine Uhr wieder an. Der Strom war zurück.


Aber keiner bemerkte es. Denn in dieser Nacht, in der der Strom ausfiel, war alles schon da, was sie wirklich brauchten: ein bisschen Mut, ein bisschen Dunkelheit – und ganz viel Nähe.


Ende.


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