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Die fliegende Zahnbürste von Oma Erna - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • vor 2 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Fliegende Zahnbürsten die durch die Luft schweben

Es war ein stiller, windiger Abend im kleinen Dörfchen Kleckerbach. Der Wind rauschte leise durch die Baumkronen, und irgendwo bellte ein Hund im Traum. In einem kleinen Fachwerkhaus mit grünem Fensterladen und einem Gartentor, das stets ein wenig quietschte, wohnte Oma Erna.


Oma Erna war nicht nur bekannt für ihre köstlichen Apfel-Zimt-Küchlein und die flauschigsten Wollsocken im ganzen Dorf, sondern auch für ihr ganz besonderes Badezimmer.


Denn bei Oma Erna war nichts ganz gewöhnlich. Nicht das Teeservice mit den Kätzchen drauf, das manchmal kicherte, wenn jemand daraus trank, nicht die Kuckucksuhr, die lieber singt als ruft, und ganz sicher nicht die Zahnbürste mit dem rosa Glitzergriff, die abends regelmäßig durch die Luft flog.


Diese Zahnbürste hieß Brizzel. Oma Erna hatte sie einst im Drogeriemarkt gekauft, weil sie sagte: „Ach, die sieht aus, als würde sie Geschichten erzählen.“ 


Und sie hatte Recht. Brizzel war keine gewöhnliche Zahnbürste. Sie war neugierig, frech, liebevoll und mutig eine kleine Heldin mit Borsten. Wenn alle Lichter im Haus gelöscht waren und die Katze Fridoline sich schnurrend in ihren Korb gekuschelt hatte, begann für Brizzel das Abenteuer.


Doch an diesem Abend war es noch nicht ganz so weit. Noch war es Zähneputzzeit – und Oma Ernas drei Enkelkinder, Marie, Paul und der kleine Leon, waren zu Besuch. Das ganze Haus war voller Leben, Gelächter und dem Geruch von frisch gebackenen Keksen. Der alte Holzofen in der Küche knisterte leise, während draußen die ersten Sterne zu sehen waren.


„Kinder! Zähne putzen! Und nicht mogeln, ich hab Augen wie ein Uhu!“, rief Oma Erna mit einem Augenzwinkern.


Marie hüpfte als Erste ins Badezimmer, Paul folgte träge, und Leon – der Jüngste – ließ sich von Fridoline begleiten. Auf dem Waschbecken standen nebeneinander die Zahnbürsten der Kinder bunt, mit Tiermotiven und ganz außen, elegant und ein wenig geheimnisvoll, stand Brizzel. Sie wirkte fast ein bisschen eitel, mit ihrem Glitzergriff und den perfekt ausgerichteten Borsten.


Während die Kinder schrubbten, summte Brizzel leise in sich hinein. Sie war bereit. Heute sollte etwas Besonderes geschehen sie konnte es spüren. Etwas knisterte in der Luft, als hätte jemand ein Lächeln in Sternenform gezaubert.


Später, als die Kinder frisch geputzt, im Pyjama und mit warmen Füßen im Bett lagen, erzählte Oma Erna ihnen wie jeden Abend eine Geschichte.


Sie setzte sich auf den Rand von Maries Bett, rückte ihre runde Brille zurecht und flüsterte: „Wisst ihr, ich glaube, unsere Zahnbürsten haben nachts viel mehr zu tun, als wir denken …“


„Wieso? Was denn?“, fragte Paul neugierig.


„Nun ja …“, begann sie, „… manche Zahnbürsten haben Aufgaben. Große Aufgaben. Sie fliegen heimlich durch die Nacht, bekämpfen Plaque-Drachen, entdecken Minzquellen, retten Milchzähne und besuchen ferne Orte, die man nur mit ganz sauberem Atem betreten darf.“


Die Kinder kicherten. Leon schaute mit großen Augen zu Brizzel hinüber. „Ich glaube, die rosa kann fliegen“, flüsterte er.


„Das glaubst du richtig“, sagte Oma Erna geheimnisvoll und tätschelte seine Haare.


Als die Kinder schliefen, ganz tief eingekuschelt in ihre Decken, geschah das, was jede Nacht geschah aber niemand je bemerkte. Brizzel reckte sich, ihre Borsten richteten sich auf wie ein Igel im Wind, und mit einem leisen surr erhob sie sich in die Luft.


Sie drehte ein paar Pirouetten über dem Waschbecken, flog dann vorsichtig aus dem Fenster, das Oma Erna wie immer ein kleines bisschen offen gelassen hatte.


Diesmal aber war sie nicht allein. Karl, der kräftige Zahnputzmeister aus Pauls Becher, Rosa Rübe mit den Gänseblümchenborsten aus Maries Sammlung und die kleine Babybürste von Leon, die alle liebevoll „Mümmi“ nannten, schlossen sich an.


Gemeinsam bildeten sie ein leuchtendes Zahnbürstengeschwader, das sich aufmachte in die Nacht.


Ihr Ziel war die legendäre Zahnpasta-Galaxie. Brizzel hatte davon in einem alten Zahnputzlehrbuch gelesen, das in Oma Ernas Bücherregal stand – gleich neben dem dicken Wälzer „101 Kräuter gegen Schnupfen“.


Dort hieß es, dass in einer fernen Ecke des Nachthimmels ein Ort existiere, an dem Minzseen schimmern, Zahncremebäume wachsen und Zahndrachen wohnen, die über das Reich der Milchzähne wachen.


Sie flogen hoch über die Dächer, vorbei an einem schlafenden Storch, über das Dorfmuseum, wo der Nachtwächter leise schlief, bis sie die Zahnpasta-Galaxie erreichten. Sie sah aus wie ein riesiger Strudel aus glitzerndem Schaum. Überall waren funkelnde Sprenkel, wie Zahnpastastreusel. Die Luft roch süß und frisch, wie nach Pfefferminztee.


Plötzlich hörten sie ein leises Weinen. Auf einer schwebenden Zahnseiden-Insel saß ein kleiner, schuppiger Drache mit großen, glänzenden Augen und einem abgebrochenen Flügel. Er schniefte traurig.


„Ich bin Flitzel. Ich hab mich beim Minzspringen verletzt … jetzt komm ich nicht mehr nach Hause.“


Brizzel schwebte näher, ihre Borsten sanft wie Federn. „Wir bringen dich zurück, keine Sorge.“


Die Zahnbürsten arbeiteten zusammen. Karl gab seine stabilen Borsten ab, Rosa spendete Gänseblümchenschaum, Mümmi hielt mit Zahnseide alles zusammen, und Brizzel selbst befestigte den neuen Flügel mit einem Tropfen Zaubermundwasser.

Flitzel strahlte. „Ihr seid die besten Freunde, die ich je hatte!“, rief er und flog einen Looping zur Feier des Tages.


Gemeinsam begleiteten sie ihn zum Milchzahnland ein weiches, leuchtendes Gebiet aus Kuschelkissen, Zahnfee-Schlössern und glitzernden Brücken aus Zahncreme. Dort verabschiedeten sie sich mit einem dicken Gruppen-Glitzerschrubber und flogen wieder heimwärts.


Als die Zahnbürsten ins Badezimmer zurückkehrten, war es schon fast hell. Brizzel war müde, aber glücklich. Sie schwebte zu Oma Ernas Nachttisch, wo die alte Dame leise schnarchte. Sie öffnete kurz ein Auge, wie immer.


„Wieder ein Zahn gerettet, meine Kleine?“, flüsterte sie.


Brizzel drehte sich einmal um sich selbst – das war ihr Zeichen für: „Natürlich.“ Dann glitt sie zurück in ihren Becher, die Borsten noch ein wenig warm vom Abenteuer.

Und als die ersten Sonnenstrahlen durchs Fenster fielen, wachte Leon auf, sah Brizzel an und sagte leise: „Ich hab’s gewusst.“


Dann kuschelte er sich wieder in die Decke, denn auch kleine Helden brauchen manchmal nur eins: ein bisschen Magie – und eine fliegende Zahnbürste von Oma Erna.

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