Die drei Freunde und die Flaschenpost - eine verrückte Geschichte zum Vorlesen mit Tieren
- Michael Mücke

- 12. Aug.
- 4 Min. Lesezeit

Es war ein warmer Sommerabend, der See lag still und glänzte wie ein riesiger Spiegel, in dem die Wolken träumend dahin trieben. Am Ufer saßen drei Freunde: der abenteuerlustige Fuchs Felix, die kluge und leicht freche Maus Lilo und der gutmütige, aber etwas vergessliche Waschbär Willi. Das Schilf raschelte sanft, und irgendwo quakte ein Frosch im Takt zu den leisen Wellen.
Felix stupste mit einer Pfote ins Wasser und sagte nach einer langen, geheimnisvollen Pause: „Heute wird noch etwas Spannendes passieren, ich spür’s in meinen Schnurrhaaren.“ Lilo verdrehte die Augen, aber ihre Stimme war neckend: „Du spürst ständig irgendwas in deinen Schnurrhaaren, sogar wenn nur eine Mücke vorbeifliegt.“
Willi hingegen schien gar nicht zuzuhören, weil er angestrengt überlegte, ob er vorhin sein Abendbrot wirklich gegessen hatte oder nur davon geträumt hatte.
Plötzlich blinzelte Lilo und zeigte aufs Wasser. Zwischen den glitzernden Wellen trieb etwas Grünes und Rundes, das bei jeder kleinen Welle leise plopp machte.
„Seht ihr das? Da schwimmt was!“ rief sie. Felix sprang auf, beugte sich weit vor und zog eine schwere, grüne Glasflasche ans Ufer. Darin steckte ein zusammengerolltes Papier, das im Licht der Abendsonne geheimnisvoll leuchtete.
„Das ist bestimmt eine Schatzkarte!“ rief Willi, bevor er überhaupt gesehen hatte, was draufstand. Felix zog vorsichtig den Korken heraus, der sich so festhielt, als wolle er für immer in der Flasche bleiben. Erst als Lilo mit beiden Pfoten kräftig daran zog und Willi von hinten schob, löste er sich mit einem lauten plopp.
Felix entrollte das Papier und las laut vor: „Hilfe! Ich bin auf der geheimen Insel der sprechenden Fische gefangen! Bringt Kuchen!“ Die drei starrten sich an. Lilo runzelte die Stirn: „Kuchen? Ist das irgendein geheimer Code für ‘Rettet mich schnell’? Oder einfach ein seltsamer Notfall?“ Willi kratzte sich am Kopf: „Ich würde sagen, Kuchen ist immer ein Notfall.“
Felix beschloss ohne Zögern: „Wir fahren morgen los. Wer Hilfe ruft, egal ob für sich oder für Kuchen, kriegt unsere Unterstützung.“ Lilo nickte, und Willi jubelte – vor allem wegen des Wortes „Kuchen“.
Am nächsten Morgen herrschte geschäftiges Treiben. Felix besorgte ein kleines Ruderboot, das zwar etwas schief im Wasser lag, aber noch schwimmen konnte. Lilo packte einen Picknickkorb: drei verschiedene Kuchen, ein paar belegte Brote, frische Erdbeeren, einen Krug Limonade und eine geheimnisvolle Keksdose, die sie nicht öffnen wollte, bevor die Zeit reif war. Willi, eigentlich für die Ausrüstung zuständig, schaffte es, alles zu vergessen – bis auf eine Laterne und eine Glocke, von der er sicher war, dass man sie irgendwie gebrauchen könnte.
Sie ruderten hinaus auf den glitzernden See. Die Sonne stand hoch am Himmel, und unter ihnen glitten Schatten von Fischen vorbei. Felix erzählte Geschichten von Piraten, die auf schwimmenden Inseln lebten, Lilo prüfte mit strengem Blick den Kurs, und Willi versuchte, nicht rückwärts ins Wasser zu kippen – was ihm immerhin nur einmal passierte.
Nach einer langen Fahrt tauchte vor ihnen eine kleine Insel auf, umgeben von Wasser, das seltsam türkis schimmerte. Über der Insel hing ein leichter Duft nach Algen und Salz, und aus der Ferne klang ein Summen, als würden viele kleine Stimmen gleichzeitig singen. Plötzlich rief eine laute Stimme aus dem Wasser: „Wer wagt es, die Insel der sprechenden Fische zu betreten?“
Willi erschrak so sehr, dass er fast das Gleichgewicht verlor, und ein großer, silberner Fisch tauchte vor ihnen auf. Auf seinem Kopf trug er einen kleinen, schwarzen Zylinder, und an seiner Seite schwamm ein goldener Fisch mit einer winzigen runden Brille.
„Wir haben Kuchen!“ rief Lilo, und sofort sprangen Dutzende Fische aus dem Wasser. Einige trugen Hüte, andere bunte Schals, und einer hatte sogar eine Teekanne auf dem Rücken balanciert.
Die Fische erklärten, dass niemand in Gefahr sei. Der „Hilferuf“ war in Wirklichkeit eine Einladung gewesen. Der jüngste Fisch, der für die Einladung zuständig war, liebte es einfach, alles dramatisch klingen zu lassen. „Man muss doch ein bisschen Spannung ins Leben bringen,“ erklärte er stolz.
Felix schlug sich lachend gegen die Stirn: „Also war das hier keine Rettungsmission, sondern eine Kuchenparty?“ Die Fische nickten begeistert und luden sie ein, am Strand zu feiern. Bald saßen alle zusammen um ein großes Feuer, die Fische sangen Lieder, und Willi aß Kuchenstücke, die fast so groß waren wie sein Kopf.
Lilo öffnete schließlich ihre geheimnisvolle Keksdose. Darin waren Kekse in Form kleiner Fische – und die Fische quietschten vor Freude, weil sie es „kulinarisch passend“ fanden.
Felix erzählte neue Geschichten, die immer verrückter wurden, je später es wurde, und einer der Fische zeigte, wie er einen Hut aus einer Seerose falten konnte.
Als die Sterne am Himmel funkelten, machten sich die drei Freunde auf den Heimweg.
Der See war jetzt schwarz wie Samt, und die Wellen plätscherten leise gegen das Boot. Lilo lächelte: „Manchmal beginnt ein Abenteuer mit einer Flaschenpost und endet mit einem Picknick, das man nie vergisst.“ Felix nickte, und Willi murmelte zufrieden: „Hauptsache, es gibt Kuchen.“
Und so fuhren sie heim, mit vollen Mägen, lachenden Herzen und einer Geschichte, die sie noch vielen anderen am Lagerfeuer erzählen würden.




