Papa ist mein Held - Kinder-Gute-Nacht-Geschichte zum Vorlesen
- Michael Mücke

- 30. Mai
- 3 Min. Lesezeit

In einem kleinen Ort, eingebettet zwischen grünen Hügeln und duftenden Wiesen, stand ein Haus mit blauen Fensterläden, einem quietschenden Gartentor und einem Apfelbaum, der im Sommer süße Früchte trug. Dort lebten Frieda und ihr kleiner Bruder Jakob, zusammen mit ihrer Mama, ihrem etwas tollpatschigen, aber wunderbaren Papa und dem dicken Kater namens Herr Murr.
Jeden Abend, wenn die letzten Sonnenstrahlen wie goldene Fäden durch das Fenster krochen, begann für Frieda und Jakob ein ganz besonderer Moment: Papazeit.
An diesem Abend lag Frieda schon im Bett. Ihre Decke war bis zum Kinn gezogen, das Licht der Nachttischlampe tauchte das Zimmer in warmes Orange, und sie wartete. Jakob hingegen saß noch mitten auf dem Teppichboden, halb in seinen Bauklotzturm vertieft, halb müde, aber zu stolz, es zuzugeben.
Plötzlich hörten sie es: das leise Quietschen der Treppe, zwei unregelmäßige Schritte – einer dumpf, einer leicht –, dann ein Knall gegen den Türrahmen.
„Autsch! Wer hat den Türrahmen verrückt?“ rief Papa gespielt empört und taumelte übertrieben ins Zimmer. Beide Kinder kicherten.
„Papa, du sagst das jedes Mal!“ rief Frieda, „aber der Türrahmen bleibt da!“
„Na gut, dann hab ich wohl einen besonders großen Kopf heute.“ Papa zwinkerte, warf sich auf Jakobs Biber-Kissen und seufzte tief. „Puh, Heldenarbeit ist anstrengend.“
Jakob kletterte auf Papas Bauch, ließ sich fallen und rief: „Was hast du heute gemacht, Held-Papa?“
Papa kratzte sich dramatisch am Kinn, als müsste er sich erinnern. „Ich habe mich heute einem riesigen Drachen gestellt, der Rechnungen spuckt! In einem Turm namens Büro!“
„War der gefährlich?“ fragte Frieda mit großen Augen.
„Furchtbar! Er hat geschrien wie ein Faxgerät und gestunken nach Druckertinte. Aber ich hab ihn besiegt – mit Kaffee und Mut.“
Die Kinder lachten. Dann wurde es einen Moment still.
„Papa? Warst du mal ein Kind?“ fragte Jakob plötzlich.
Papa setzte sich auf, als wäre er ertappt worden. „Ein Kind? Ich? Natürlich! Sogar ein ziemlich wildes. Ich hab Seifenkisten gebaut, bin in den Ententeich gefallen, und einmal hab ich den Gartenschlauch so lange laufen lassen, bis Omas Rosen schwimmen konnten.“
Frieda kicherte. „Du bist also gar nicht immer so vernünftig gewesen?“
„Niemals! Aber weißt du was? Auch Helden machen Quatsch. Und manchmal Fehler. Aber echte Helden stehen immer wieder auf und sagen: Ich probier’s nochmal.“
Jakob überlegte. „Also bist du nicht nur ein Held, wenn du stark bist, sondern auch, wenn du schwach bist?“
„Genau so ist es. Ein Papa-Held ist jemand, der sich Mühe gibt. Jeden Tag. Auch wenn er müde ist. Auch wenn er nicht weiß, wie es weitergeht. Und wenn ihr weint oder traurig seid, dann bin ich da. Und wenn ihr lacht, dann bin ich doppelt froh.“
Frieda legte sich wieder hin und schaute an die Decke, an der kleine Leuchtsterne klebten. „Du warst heute bestimmt auch müde. Aber du bist trotzdem gekommen.“
„Natürlich. Weil ich euch liebe. Und weil es nichts Schöneres gibt, als euren Tag zu hören. Eure Geschichten. Eure Sorgen. Und euer Kichern.“
Jakob gähnte laut und rollte sich neben Papa zusammen. Papa streichelte ihm über die Haare. Draußen begann es zu regnen – ein sanftes Prasseln, das wie ein Lied klang.
„Weißt du noch,“ flüsterte Frieda, „als Mama im Krankenhaus war und du uns alleine ins Bett gebracht hast, und alles ging schief?“
Papa verdrehte die Augen theatralisch. „Oh ja! Der Kakao war übergekocht, der Reis war roh und die Zahnpasta war alle. Und dann hab ich euch auch noch beide in zwei linken Schlafanzüge gesteckt.“
„Aber du hast’s versucht,“ sagte Jakob stolz. „Und du hast uns vorgelesen. Und du warst da.“
Papa nickte. „Immer. Ich kann nicht alles perfekt. Aber ich kann immer da sein. Und mein Bestes geben.“
„Deswegen bist du unser Held,“ flüsterte Frieda.
In diesem Moment sprang Herr Murr aufs Bett, schnurrte laut und legte sich genau auf Papas Brust.
„Und Murr ist wohl mein Assistent.“ Papa schmunzelte. „Jeder Held braucht einen flauschigen Begleiter.“
Dann stand Papa langsam auf, hob Jakob sanft auf seinen Arm, trug ihn zum Bett und deckte ihn zu. Er küsste erst ihn, dann Frieda auf die Stirn, ganz langsam, ganz zärtlich.
„Egal wie alt ihr werdet, wie groß ihr werdet oder wo ihr seid – ich bin euer Papa. Und das bedeutet, ich kämpfe für euch, ich lache mit euch und ich höre nie auf, euch lieb zu haben.“
„Versprochen?“ flüsterte Frieda schon halb eingeschlafen.
„Versprochen. Tausendmal.“ sagte Papa.
Er drehte sich um, ging zur Tür, warf einen letzten Blick zurück – auf zwei friedlich atmende, kleine Menschen, die sein ganzes Herz waren – und schloss leise die Tür.
Draußen tanzten Regentropfen auf dem Dach, der Apfelbaum rauschte im Wind, und in zwei kleinen Herzen leuchtete ein ganz klares Gefühl:
Papa ist mein Held. Jeden Tag. Immer wieder.




