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Norro Salzfell, die Piratenmaus - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 26. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Norro Salzfell steht auf seinem Piratenschiff

Tief im Hafenviertel von Windklippenstadt, wo das Pflaster nach Seetang roch und die Möwen krakeelten wie Händler auf dem Wochenmarkt, lebte eine ungewöhnliche Maus. Ihr Name war Norro Salzfell, und sie war von Kopf bis Pfote ein Kind der See.


Ihre kleinen Pfoten waren von Teer und Tauwerk gegerbt, ihre Ohren leicht zerfranst vom Wind, und auf ihrem Kopf trug sie stolz einen echten, wettergeprüften Piratenhut. Die silberne Feder darin war nicht etwa Deko – sie war einst dem Schnabel einer gefiederten Seehexe entrissen worden. Aber das war eine andere Geschichte.


Norro wohnte nicht wie andere Mäuse in einem Hohlraum im Lagerhaus oder unter einem Dielenbrett. Nein, er lebte in einem umgebauten, ausrangierten Schiffsbarometer, das an einem alten Mast im Hafen befestigt war.


Drinnen hingen Seekarten an den Wänden, kleine Haken hielten seine Navigationsinstrumente aus Gabeln und Zahnstochern, und sein Bett war eine alte Tabakdose, ausgepolstert mit Möwenflaum. Jeden Abend saß er auf seinem kleinen Balkon, blickte aufs offene Meer hinaus und murmelte: „Irgendwo da draußen liegt der Pfefferkorn-Schatz. Und ich werd ihn finden.“


Die Legende war unter Hafennagern bekannt: Der berüchtigte Admiral Pfefferkorn, einst Kapitän der mächtigen Mausfregatte Königin von Quark, soll einen Schatz auf hoher See versteckt haben – nicht nur aus Käse, sondern aus Relikten der alten Mausflottenzeit. Käsetaler aus alter Milchbank, Salzkrümel von der ersten Seeschlacht und sogar die Goldene Käseraspel, Symbol für ewigen Seefahrerruhm.


Die anderen Mäuse glaubten nicht mehr daran. Besonders Rasmus, der Lagerverwalter, lachte Norro regelmäßig aus.


„Du willst mit einer Nussschale die offene See bezwingen? Vielleicht paddelst du gleich ins Wolkenland und holst uns Zuckerwatte!“ Doch Norro ließ sich nicht beirren. Mutig, entschlossen und ein kleines bisschen verrückt – das war Norro Salzfell.


Er hatte seine Nussschale mit größter Sorgfalt gebaut. Der Rumpf war mit Bienenwachs versiegelt, das Segel bestand aus einem alten Teebeutel, und das Ruder war ein Zahnstochersplitter. Am Bug prangte in Schnörkelschrift der Name: „Die Krumme Krabbe“.


Begleitet wurde Norro von seinem treuen Kameraden Smirgel, einer einäugigen Ratte mit stumpfem Degen und salzverkrustetem Schnurrbart. Er sprach wenig, trank viel Brackwasser und konnte jeden Seemannsknoten mit dem Schwanz binden.


Die beiden hoben am ersten Frühmorgen des Frühlings die winzige Ankersteinmünze, setzten das Segel, und mit einem letzten Blick zurück rief Norro: „Der Käse ruft – und wir antworten mit dem Wind!“


Die See begrüßte sie unbarmherzig. Schon nach dem ersten Tag wurden sie von einem Sturm überrascht, der die „Krumme Krabbe“ wie eine Flaschenpost durch die Wellen schleuderte.


Sie verloren zwei Löffelpaddel, kämpften mit einem Korken, der sich als Seeungeheuer herausstellte, und Norro schlug sich den Kopf am Mast. „Das ist keine ruhige Pfütze, das ist die große Käsefahrt!“, rief er lachend und ließ sich von der Gischt bespritzen.


In der dritten Nacht segelten sie in den Sprudelkraut-Archipel, eine verwunschene Inselgruppe, in der das Wasser nach Pfefferminz roch und die Seegräser leise sangen. Dort trafen sie die Kräuterhexe Ilex, eine winzige Kröte mit Piratenmütze und langen, glühenden Bartfäden. Sie sprach in Rätseln: „Der Pfefferkorn-Schatz liegt, wo kein Wasser ist, doch alle nass werden.“


Nach dieser Begegnung begaben sich Norro und Smirgel in ein Gebiet, das kein Seemann freiwillig durchquerte – das Käsetornadogebiet, ein berüchtigter Ort, an dem vergorene Winde und zentrifugierte Käsebälle durch die Luft flogen. Sie banden sich mit Zahnseide an den Mast und überlebten, weil Smirgel rechtzeitig ein Stück Harzer Roller warf, das den Sturmgeist ablenkte.


Schließlich, nach Wochen voller Wind, Käse, Sturm, Gesang, Seegurken-Überfällen, falscher Schatzkarten, Löffelmeutereien und einer kurzen aber bizarren Begegnung mit einem fliegenden Einmachglas, geschah es.


Am Horizont ragte sie empor: die versunkene Gabel. Riesig, rostig, mit Moos bewachsen – ein metallischer Fingerzeig aus der Tiefe. „Dort liegt sie, Smirgel! Die Königin von Quark!“, keuchte Norro.


Sie tauchten. Norro befestigte einen Korken an seinem Rücken, Smirgel schnallte sich eine Schneckenschale um den Bauch. Zwischen leuchtenden Algen, knarzenden Planken und schlummernden Muscheln fanden sie das Wrack. Das Ruder lag zerbrochen, aber am Heck schimmerte schwach das alte Flottenzeichen: eine Reibe und ein Stern.


In der Kapitänskajüte fanden sie die Truhe – aus Nusskernholz, mit verzierten Beschlägen und einem Scharnier, das nur mit einem Zahn geöffnet werden konnte. Natürlich hatte Smirgel einen dabei. Drinnen: Barren aus gereiftem, gepresstem Hochsee-Käse. Gerieben mit Salzkristallen, verfeinert mit Möwenbutter, ein Schatz, den kein Mäusemaul je wieder vergessen würde.


Doch sie waren nicht allein. Mutter Schleimzunge, eine uralte Seeschnecke von der Größe einer Suppenkelle, hatte das Wrack zu ihrem Revier erklärt. „Wer den Schatz nimmt, wird gesnackt!“, gurgelte sie, und schleuderte Schleimblasen wie Kanonenkugeln.


Es kam zur Schlacht. Norro blockte mit einem Sardinendeckel, Smirgel warf einen Pfefferlappen ins Schneckenauge. Mit letzter Kraft schafften sie es an die Oberfläche, zogen die Truhe in die „Krumme Krabbe“, entkamen durch eine Strömung – und landeten drei Tage später erschöpft, triumphierend, aber mit breitem Grinsen im Hafen von Windklippenstadt.


Alle Mäuse hatten sich versammelt. Als Norro mit dem Schatzdeckel auftrat, verstummten sie. Selbst Rasmus. Smirgel stellte die Truhe auf einen alten Marmeladendeckel. Norro stieg hinauf und sagte:


„Nicht der Schatz macht den Piraten, sondern der Mut, ihm entgegen zu segeln.“


An diesem Abend feierten sie bis tief in die Nacht. Es wurde getanzt, gesungen, gegessen, gerülpst. Und am nächsten Morgen war Norro schon wieder weg. Mit neuer Karte. Neuem Ziel. Gleicher Nussschale.


Denn die See wartet nicht und Käse auch nicht ewig.

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