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Lolas erster, echter Ameisenauftrag - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 9. Juni
  • 4 Min. Lesezeit
Lola steht mit einem Blatt auf dem Rücken im Wald

Tief unter der Erde, verborgen zwischen Baumwurzeln und Steinen, lag der Ameisenbau von Kolonie Moospfad. Es war ein geschäftiger, wohlorganisierter Ort voller Gänge, Kammern und Vorratsräume. Überall krabbelten Ameisen, trugen Körner, bauten Tunnel oder versorgten die Larven.


In einer kleinen Kammer ganz hinten, unter einem Eichenwurzelbogen, saß Lola – eine junge Ameise mit einem hellbraunen Panzer und blitzenden Augen. Sie hatte lange auf diesen Tag gewartet. Heute war ihr großer Moment gekommen. Heute durfte sie ihren ersten Auftrag außerhalb des Baus übernehmen.


„Lola, tritt vor!“, rief die tiefe Stimme von Kommandantin Merula, einer älteren, aber starken Ameise mit schimmerndem Rücken.


„Du wirst zur Sporenwiese geschickt. Unsere Vorräte an Pilzsporen sind knapp. Du kennst das Ziel. Sei vorsichtig, aber sei auch mutig.“


Lola stand aufgeregt stramm. Sie hatte wochenlang trainiert: Tunnelkarten studiert, Pflanzenarten gelernt, und sogar mit alten Sammelameisen gesprochen, die von ihrem Dienst im offenen Wald erzählten. Ihre Fühler zitterten ein wenig vor Aufregung.

Sie bekam einen winzigen Rucksack aus zusammengenähten Blattfasern, eine Nektarblase zur Stärkung und einen glitzernden Kompassstein, der ihr die Richtung zeigen würde.


„Du gehst durch Tunnel Ost, dann über die große Wurzel, vorbei am Fliegenpilzfeld. Sporenwiese liegt hinter dem alten Buchenstamm.“, erklärte Merula ruhig. „Und vergiss nie: Der Wald lebt. Beobachte, lerne und respektiere ihn.“


Lola nickte fest entschlossen. Dann kletterte sie los, den langen Ausgangstunnel hinauf. Als sie die Oberfläche erreichte, blendete sie das helle Sonnenlicht. Es war warm und frisch. Vögel zwitscherten in den Baumkronen, und überall summte und brummte das Leben.


Sie atmete tief ein.

„Das ist also der Wald...“, murmelte sie leise.


Lola machte sich auf den Weg. Der Waldboden fühlte sich anders an als die festen Gänge im Bau – weich, manchmal federnd, manchmal krümelig. Farne ragten wie grüne Dschungel über ihr auf, und überall wuchsen Moose in sanften Hügeln.


Nach einer Weile traf sie auf eine Gruppe bunter Waldschnecken, die gemütlich an einem Pilz fraßen.


„Entschuldigung, kennt ihr den Weg zur Sporenwiese?“, fragte Lola höflich.

Eine ältere Schnecke mit leuchtend orangefarbenem Häuschen schaute langsam auf.


„Immer dem Farnweg nach... aber pass auf den Eichelfalter auf. Der ist heute schlecht gelaunt.“


Lola bedankte sich und krabbelte weiter. Der Farnweg war schmal und schattig, und die Lichtstrahlen tanzten auf den Boden wie kleine Glühfunken. Plötzlich hörte sie ein Rascheln.


Ein Eichelfalter flatterte auf sie zu, groß und mit schimmernden Flügeln. Seine Fühler zitterten, und seine Stimme klang gereizt.


„Was krabbelt da durch meinen Schatten?“


„Ich bin Lola. Ich muss Pilzsporen sammeln. Ich will nur durch.“

Der Falter schnaubte, aber dann lächelte er.


„Du bist mutig. Viele verstecken sich bei meinem Anblick. Geh weiter, aber denk dran: Wer freundlich fragt, bekommt oft Flügelhilfe.“


Er ließ sie passieren. Lola spürte, wie ihr Herzschlag sich beruhigte. Sie hatte ihren ersten kleinen Test bestanden.


Weiter ging es durch ein Brombeerdickicht. Die Stacheln ragten wie Türme über ihr, und zwischen ihnen hingen riesige, reife Beeren. Lola konnte nicht widerstehen – sie trank einen Tropfen Brombeersaft, der süß und kühl war. Mit neuer Energie kletterte sie schließlich über eine große Baumwurzel – genau wie Merula es beschrieben hatte.


Dahinter öffnete sich eine Lichtung – weich, moosbedeckt und voller Pilze. Die Sporenwiese! Überall wuchsen Pilze in allen Farben: weiße Kugelpilze, gelbe Lamellenpilze und hohe, dünne Stielpilze mit flatternden Hüten.


In der Mitte thronte ein alter Fliegenpilz mit leuchtend rotem Schirm. Lola näherte sich respektvoll. Gerade als sie die ersten Sporen einpackte, hörte sie ein leises Schluchzen.

Sie sah sich um. Zwischen zwei Pilzhüten kauerte ein winziges Tier, ein Maikäferjunge, der versuchte, einen Flügel geradezubiegen.


„Geht es dir gut?“, fragte Lola besorgt.


„Ich bin beim Üben abgestürzt... mein Flügel hat sich verklemmt...“, wimmerte er.

Lola legte ihren Rucksack ab und half vorsichtig, den Flügel aus der Pilzrinne zu lösen. Es dauerte eine Weile, aber schließlich schafften sie es.


„Du hast mir geholfen... obwohl du selbst einen Auftrag hattest...“, sagte der Maikäfer gerührt. „Wenn du mal durch die Baumkronen willst – ich nehme dich mit!“

Lola lachte. „Vielleicht eines Tages.“


Mit dem Rucksack voller Sporen machte sie sich schließlich auf den Rückweg. Es war inzwischen später Nachmittag. Der Wald hatte sich verändert. Das Licht war goldener, und die Geräusche waren ruhiger geworden.


Unterwegs begegnete sie noch einer Kolibri-Biene, die ihr einen sicheren Pfad über einen schlammigen Bach zeigte, und einem alten Moosfrosch, der ihr erlaubte, auf seinem Rücken eine Weile zu ruhen.


Als sie am Eingang des Baus ankam, war sie erschöpft, aber stolz. Unten warteten schon Merula und einige neugierige Jungameisen.


„Da ist sie!“, rief jemand.


Merula trat vor und betrachtete den Rucksack.

„Vollständig. Und pünktlich zurück.“


Lola senkte die Stimme. „Ich habe auch einem Maikäfer geholfen. Und einem Falter begegnet. Und... ich habe gelernt, dass der Wald nicht nur riesig, sondern auch freundlich ist.“


Merula nickte. „Das ist mehr wert als Sporen. Willkommen zurück, Lola – du bist jetzt eine richtige Sammelameise.“


Lola kroch in ihre Kammer, müde bis in die Fühler. Sie kuschelte sich in ihr Blattbett und lächelte.


„Der Wald wartet auf mich… und ich werde ihn noch viel besser kennenlernen.“

Dann schloss sie die Augen und träumte von fliegenden Käfern, tanzenden Pilzen und einer winzigen Ameise mit einem großen Herzen.


Ende.


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