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Lila und die Farben der Emotionen

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 22. Nov. 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Lila sitze mit einer Eule vor dem Teich
Lila und die Farben der Emotionen

In einem kleinen, von Blumenwiesen umgebenen Dorf lebte ein Mädchen namens Lila. Das Dorf war etwas Besonderes, denn jeder Dorfbewohner trug auf seiner Schulter eine kleine, schimmernde Lampe. Diese Lampen leuchteten in den Farben der Gefühle, die jeder gerade empfand.


Wenn jemand glücklich war, strahlte die Lampe in hellem Gelb, so sonnig und warm, dass die Blumen in der Nähe zu blühen schienen. Wenn jemand traurig war, glomm sie in einem tiefen Blau, das so ruhig wie ein Abendhimmel wirkte. Bei Wut schimmerte sie in feurigem Rot, und wenn jemand voller Hoffnung war, leuchtete sie sanft in Grün. Es gab unzählige Farben, die jede Nuance der Gefühle darstellen konnten.


Lilas Lampe war besonders lebhaft. Oft leuchtete sie in fröhlichem Gelb, weil Lila ein neugieriges und warmherziges Mädchen war. Sie liebte es, mit ihrer besten Freundin Emma über die Felder zu rennen, Kuchen mit ihrer Oma zu backen oder sich Geschichten von ihrem Grossvater erzählen zu lassen. Doch manchmal, wenn Dinge nicht so liefen, wie sie es sich wünschte, wechselte ihre Lampe zu Blau, Rot oder sogar einem gemischten Lila, was sie immer ein bisschen verwirrte.


Eines Tages spielte Lila mit Emma an ihrem Lieblingsplatz, einem grossen Apfelbaum hinter der Scheune. Sie wollten ein Baumhaus bauen, und Lila hatte die Idee, es mit Blumen zu schmücken. Doch Emma wollte lieber ein Seil hinaufziehen, um daran zu klettern.


„Das ist doch viel spannender!“, rief Emma. „Aber die Blumen sind schöner!“, entgegnete Lila.


Der Streit wurde immer lauter, bis Emma plötzlich sagte: „Du willst immer alles bestimmen, Lila!“ Und bevor Lila etwas erwidern konnte, war Emma davongelaufen.

Lila blieb allein unter dem Baum zurück. Ihre Lampe glühte erst rot vor Wut, dann begann sie in ein trauriges Blau zu wechseln. „Vielleicht hat Emma recht“, murmelte sie. „Vielleicht bin ich wirklich zu bestimmend.“


Lila fühlte sich so schlecht, dass sie nicht nach Hause gehen wollte. Stattdessen lief sie in den Wald, der hinter dem Dorf begann. Die hohen Bäume warfen lange Schatten, und alles war still, bis auf das Rascheln der Blätter. Sie setzte sich auf einen moosigen Baumstumpf und beobachtete ihre Lampe, die jetzt in einem tiefen Blau leuchtete.

Während Lila still das Flackern ihrer Lampe betrachtete, hörte sie plötzlich ein sanftes Rascheln über ihr. Sie blickte auf und sah eine alte Eule mit silbrigem Gefieder, die sie aus grossen, weisen Augen ansah.


„Warum bist du so traurig, kleines Mädchen?“ fragte die Eule mit einer Stimme, die wie ein sanftes Lied klang.


„Meine Freundin Emma ist wütend auf mich“, erklärte Lila leise. „Und jetzt leuchtet meine Lampe nur noch blau. Ich wünschte, sie könnte immer gelb sein. Gelb fühlt sich so schön an. Blau tut weh.“


Die Eule nickte langsam, als würde sie die Worte kosten. „Du glaubst also, dass nur gelb gut ist?“


Lila nickte zögernd. „Natürlich. Wer will denn blau, rot oder grau sein?“

Die Eule lachte leise, ein freundliches, kehliges Lachen, das die Stille des Waldes durchbrach. „Komm mit, ich zeige dir etwas.“


Die Eule flatterte von ihrem Ast herunter und führte Lila tiefer in den Wald. Sie kamen an einen kleinen Teich, dessen Wasser so ruhig war, dass es den Himmel spiegelte.

„Schau hinein“, sagte die Eule.


Lila kniete sich hin und blickte ins Wasser. Zuerst sah sie nur ihr Gesicht und die schimmernde Lampe auf ihrer Schulter, die immer noch blau leuchtete. Aber dann begann sich das Wasser zu verändern. Es zeigte Bilder, wie in einem Traum.


Zuerst sah sie sich selbst, wie sie mit ihrer Familie Kuchen backte. Ihre Lampe war strahlend gelb, und sie fühlte sich warm und glücklich. Doch dann sah sie eine andere Szene: Sie hatte einmal ihre Lieblingspuppe verloren, und ihre Lampe war tiefblau gewesen. Aber als ihre Mutter sie getröstet hatte, war das Blau langsam in ein sanftes Grün übergegangen.


„Erinnerst du dich?“ fragte die Eule. „Du hast gelernt, dass Verluste wehtun, aber auch, dass du darüber hinwegkommen kannst.“


Das Wasser zeigte eine weitere Szene: Lila war wütend gewesen, als ihr kleiner Bruder ihr Malbuch bemalt hatte. Ihre Lampe war rot aufgeleuchtet. Doch später, als sie mit ihm gesprochen hatte, war das Rot einem hellen Rosa gewichen.


„Wut kann dir zeigen, dass etwas nicht richtig ist“, erklärte die Eule. „Aber wenn du genau hinsiehst, hilft sie dir, Dinge zu ändern.“


Lila sah noch viele Bilder: Momente voller Freude, Trauer, Angst und Hoffnung. Jede Farbe hatte ihren Platz, und manchmal mischten sich die Farben zu neuen Tönen, die sie vorher noch nie bemerkt hatte.


„Also sind alle Farben wichtig?“ fragte Lila schliesslich.


Die Eule nickte. „Stell dir vor, deine Lampe wäre immer nur gelb. Würdest du dann wissen, wie schön gelb wirklich ist? Gefühle sind wie die Farben des Regenbogens. Sie gehören zusammen, und jede von ihnen macht dein Leben reicher.“


Lila dachte über die Worte der Eule nach. Sie fühlte, wie das Blau ihrer Lampe sich langsam in ein sanftes Grün verwandelte.


„Danke, Eule“, sagte sie leise.


„Geh jetzt zurück zu Emma“, sagte die Eule. „Manchmal helfen Farben, wenn Worte nicht reichen.“


Als Lila aus dem Wald kam, hatte sie sich vorgenommen, mit Emma zu sprechen. Sie fand ihre Freundin immer noch beim Apfelbaum, ihre Lampe glühte rot.


„Emma“, begann Lila vorsichtig. „Es tut mir leid, dass ich so darauf bestanden habe, die Blumen zu nehmen. Vielleicht können wir beides machen?“


Emmas Lampe flackerte. Das Rot wurde heller, dann wechselte es zu einem warmen Orange. Sie lächelte. „Das klingt gut. Es tut mir auch leid, dass ich so schnell weggelaufen bin.“


Die beiden Freundinnen umarmten sich, und für einen Moment leuchteten ihre Lampen in strahlendem Gelb.


Von da an achtete Lila mehr auf die Farben ihrer Lampe – und auf die der anderen. Sie wusste jetzt, dass jede Farbe wichtig war, weil sie das Leben bunter und reicher machte.


Und so ging sie eines Abends zufrieden ins Bett, während ihre Lampe in einem beruhigenden Rosa leuchtete. Gefühle sind wie Farben – sie machen das Leben bunt. Und genau wie ein Regenbogen erst dann besonders ist, wenn alle Farben dabei sind, macht es unser Herz stärker, wenn wir alle Gefühle zulassen und annehmen.


Ende.

 

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