Kevins Traum vom Fußball Star - Gute-Nacht-Geschichte
- Michael Mücke
- 31. Mai
- 4 Min. Lesezeit

Kevin lebte in einem kleinen, aber lebendigen Dorf namens Himmelsruh, das von grünen Hügeln, rauschenden Bäumen und einem klaren Fluss umgeben war. Die Häuser hatten rote Ziegeldächer, und überall roch es nach frischer Erde, Gras und Sonntagskuchen.
Doch das Herzstück des Dorfes war nicht der Marktplatz, nicht die Kirche und auch nicht der alte Apfelbaum vor dem Gemeindehaus – es war der Fußballplatz.
Dort stand ein einfaches Spielfeld mit einem etwas schiefen Tor, einem Ballfangnetz, das an mehreren Stellen geflickt war, und einer Mini-Tribüne aus Holz, die die Dorfbewohner liebevoll „die Arena“ nannten. Der Rasen war nicht perfekt, aber Kevin liebte jedes Grasbüschel, jede Kuhle und sogar den kleinen Maulwurfshügel am Strafraum.
Kevin war zehn Jahre alt, hatte zerzaustes braunes Haar, schmale Schultern und ein Grinsen, das irgendwie immer ein bisschen schief war. Seine Fußballschuhe waren schon ein wenig abgetragen, aber das störte ihn nicht. Für ihn waren sie goldene Stiefel, genau wie die, die die großen Fußballstars im Fernsehen trugen.
Jeden Nachmittag – wirklich jeden – nach den Hausaufgaben schnappte er sich seinen roten Lederball, den er „Flitzer“ genannt hatte, und lief in vollem Tempo Richtung Sportplatz. Manchmal begleiteten ihn seine besten Freunde Tim und Greta, manchmal auch sein kleiner Hund Momo, der zwar nicht mitspielen durfte, aber gerne hinter dem Ball herjagte, wenn Kevin nicht aufpasste.
„Ich schwöre euch, Leute,“ sagte Kevin eines Tages ganz ernst, während sie den Ball im Kreis spielten, „ich werde mal ein echter Fußballstar. So richtig berühmt! Aber nicht mit irgendeinem Verein – mit unserem FC Himmelsruh.“
Tim grinste. „Und ich bin dann dein Torwart, der alle Elfmeter hält!“
Greta lachte: „Dann bin ich wohl die Stürmerin, die mehr Tore macht als du!“
Kevin stemmte die Hände in die Hüften. „Niemals! Ich werde im Finale das entscheidende Tor schießen. Und die ganze Welt wird rufen: Kevin, Kevin!“
An diesem Abend, nachdem er sich die Zähne geputzt, sein Trikot ordentlich über den Stuhl gehängt und Momo einen Gute-Nacht-Keks gegeben hatte, legte Kevin sich ins Bett. Der Mond war rund und leuchtete silbern durch das Fenster.
Ein leiser Wind wehte durch die Bäume vor seinem Zimmer, und draußen zirpten Grillen. Kevin schloss die Augen und murmelte: „Wenn ich träume, dann vom Fußball. Und davon, wie wir das große Finale gewinnen.“
Und da begann sein Traum.
Plötzlich stand er mitten in einem riesigen Stadion. Es war nicht irgendein Stadion – es war das größte, schönste, lauteste Stadion, das er je gesehen hatte. Die Tribünen ragten hoch in den Himmel, riesige Scheinwerfer tauchten das Feld in helles Licht, und überall schwenkten die Fans blau-weiße Fahnen mit dem Wappen des FC Himmelsruh: ein kleiner Ball mit Flügeln und einem lachenden Gesicht.
„Kevin! Kevin! Du bist dran!“ rief eine Stimme. Kevin blickte an sich herunter – er trug ein nagelneues Trikot, die Nummer 10 glänzte auf seinem Rücken. Die anderen Spieler standen schon auf dem Feld, es waren alles seine Freunde. Tim im Tor, Greta als Kapitänin, Elias im Mittelfeld, sogar der schüchterne Max stand auf dem Platz – alle gehörten zum FC Himmelsruh.
„Das hier ist das Finale der Weltmeisterschaft der Dörfer!“ rief der Stadionsprecher mit donnernder Stimme. „Himmelsruh gegen die Großstadt-Riesen aus Metropolien!“
Das Spiel begann, und es war wild. Die Gegner waren größer, schneller und hatten glitzernde Fußballschuhe mit eingebauten Lichtern. Doch Kevin und seine Freunde spielten mit Herz, mit Mut und mit Freude. Tim flog durch die Luft und hielt unglaubliche Bälle, Greta dribbelte zwei Gegner auf einmal aus, und Kevin passte wie ein Weltmeister.
Doch dann wurde es eng.
In der zweiten Halbzeit stand es 2:2. Die Großstadt-Jungs waren stark, ihre Fans laut, ihre Trainer streng. Kevin war erschöpft, aber er gab nicht auf. Er lief, er rannte, er rief. „Zusammen schaffen wir das!“
Dann kam die letzte Minute. Kevin bekam den Ball – ein perfekter Pass von Elias. Vor ihm standen zwei Gegner, doch Kevin täuschte links an, ging rechts vorbei, drehte sich um sich selbst, der Ball blieb wie festgeklebt an seinem Fuß.
Er stand allein vor dem Tor.
Der Torwart kam ihm entgegen. Kevin holte tief Luft. Dann schoss er. Der Ball flog in hohem Bogen – wie ein Vogel durch die Luft – und schlug genau im Winkel ein. Es war das perfekte Tor. Kein Geräusch, dann ein ohrenbetäubender Jubel.
„Tooooooooor für Kevin! Tor für Himmelsruh!“ rief der Sprecher. „Sie haben es geschafft! Weltmeister!“
Kevin wurde von seinen Freunden umarmt, gehoben, getragen. Konfetti fiel vom Himmel, eine goldene Medaille baumelte um seinen Hals. Die Fans auf der Tribüne schrien vor Freude. Und da kam Oma Leni auf ihn zu, mit Tränen in den Augen und einem selbst gebackenen Pokal aus Lebkuchen in den Händen.
„Ich hab's dir immer gesagt, mein Junge,“ flüsterte sie, „du bist ein Star – ein echter Himmelsruh-Star.“
Kevin lächelte. Und in diesem Moment wusste er, dass Träume wahr werden können – wenn man an sich glaubt, wenn man Freunde hat, die mit einem kämpfen, und wenn man nie aufgibt.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, lag der rote Ball „Flitzer“ neben seinem Bett, als wäre er aus dem Traum mitgekommen. Kevin sprang auf, zog seine Fußballschuhe an und lief zum Frühstück.
„Mama, ich hab geträumt, ich hab das große Finale gewonnen!“
„Mit deinem Dorfverein, oder?“ fragte sie lächelnd.
„Natürlich!“ antwortete Kevin stolz. „Mit dem FC Himmelsruh. Und weißt du was? Wir waren die Besten.“
Dann nahm er den Ball und rannte hinaus in die Morgensonne, bereit für ein echtes Spiel, für einen neuen Tag, und für viele weitere große Träume.