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Emil, das Eulenkind, das nicht schlafen konnte - eine Tiergeschichte zum Vorlesen

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 28. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit
Emil sitzt auf einem Ast bei Nacht und seine Freunde schlafen

Emil war ein kleines Eulenkind, das in einem alten, knorrigen Baum tief im Wald lebte. Der Baum war ein wahrer Riese, dessen Äste wie lange Arme in den Himmel ragten. Er war so hoch, dass man von seinem höchsten Ast fast bis zu den Wolken greifen konnte. Der Stamm war von Flechten und Moos bedeckt, und nachts schimmerte er im Licht des Mondes wie ein silberner Riese.


Emil liebte es, sich in den weichen, kühlen Nischen des Baumes zu verstecken und den Himmel zu betrachten. Der Blick von oben war wunderschön – die Sterne funkelten wie Diamanten, und der Mond schien so nah, dass er fast hätte danach greifen können. Doch heute Nacht war alles anders. Emil konnte einfach nicht schlafen.


Er hatte sich längst in seinem Nest aus weichen Federn zusammengerollt und die Augen geschlossen, aber sein Kopf war voll von Gedanken.


"Was passiert nur in der Welt, wenn ich schlafe?" fragte er sich immer wieder. "Vielleicht gibt es Dinge, die nur im Schlaf geschehen, von denen ich noch nichts weiß."


Emil war ein wissbegieriges Eulenkind, immer auf der Suche nach Antworten, immer auf der Jagd nach neuen Entdeckungen. Aber es war spät, und obwohl die Nacht um ihn herum so still war, dass er das Rascheln des Windes in den Blättern des Baumes hören konnte, war er einfach zu aufgeregt, um einzuschlafen.


Der Mond war besonders hell in dieser Nacht, und sein Licht schlich sich durch die Lücken im Blätterdach und malte silberne Streifen auf Emils kleines, weiches Federkleid.


Er blinzelte und blickte nach oben, zu den funkelnden Sternen, die in ihrer eigenen geheimen Sprache flüsterten. Dann, plötzlich, hörte Emil ein leises Kichern, das durch die Luft wehte. Es war ein fröhliches, glockenklares Lachen, das sich fast wie ein Geheimnis anfühlte. Emil spitzte die Ohren. Woher kam dieses Kichern? Und warum fühlte es sich an, als würde es ihn rufen?


Neugierig und ohne lange nachzudenken, flatterte Emil von seinem Ast und schwebte leise durch die dunklen, kühlen Äste des Baumes. Der Wind zog sanft an seinen Federn, als er sich der Quelle des Kicherns näherte. Er flog durch das Blätterdach, und als er um eine Ecke bog, entdeckte er eine Gruppe von Glühwürmchen.


Sie schwebten und tanzten in der Luft, ihre winzigen Lichter blinkten in allen Farben des Regenbogens und malten glitzernde Muster in die Dunkelheit.


"Warum tanzt ihr so fröhlich?" fragte Emil, während er sich auf einem Ast niederließ, um sie zu beobachten. "Warum hört ihr nicht auf, obwohl es Nacht ist?"


Ein kleines Glühwürmchen mit besonders hellem Licht drehte sich zu Emil um und lachte. "Wir tanzen, weil wir die Nacht lieben!" rief das Glühwürmchen fröhlich.


"Die Nacht gibt uns die Freiheit, zu fliegen und zu leuchten, wie wir wollen. In der Nacht können wir all unsere Träume leben."


Emil war fasziniert. "Träume?" wiederholte er. "Was für Träume?"


Das Glühwürmchen blinzelte und flog ein Stück näher. "Wir träumen von Orten, die wir noch nie gesehen haben. Wir fliegen über weite Felder, tauchen in tiefe Seen und singen mit den Sternen. Aber das Beste ist, dass in der Nacht alles möglich ist."


Emil spürte eine tiefe Sehnsucht in seinem kleinen Herzen. "Aber ich kann nicht schlafen," sagte er traurig. "Ich möchte auch träumen, wie ihr. Aber der Schlaf kommt einfach nicht zu mir."


Die Glühwürmchen tanzten weiter, aber das älteste unter ihnen, das die hellste Leuchtkraft hatte, flog langsam zu Emil.


"Manchmal dauert es eine Weile, bis der Schlaf kommt," sagte es sanft. "Schlaf ist wie ein sanfter Besuch. Er kommt zu denen, die ihn einladen und bereit sind, sich ihm hinzugeben."


"Aber was passiert, wenn man nicht schlafen kann?" fragte Emil, seine Augen weit geöffnet vor Neugier.


Das Glühwürmchen nickte. "Das ist der Zauber der Nacht, Emil. Manchmal müssen wir geduldig sein, bis der Schlaf uns findet. Und manchmal, wenn wir uns öffnen, können wir die Nacht mit offenen Augen erleben, so wie du es gerade tust."


Emil dachte nach. Vielleicht war das der Schlüssel – nicht den Schlaf zu erzwingen, sondern zu warten, dass er auf natürliche Weise zu ihm kam. Aber was, wenn er nicht wusste, wie er sich dem Schlaf hingeben konnte?


"Komm mit uns," sagte das Glühwürmchen plötzlich und flatterte los, die anderen Glühwürmchen folgten ihm. "Wir wollen dir etwas zeigen."


Emil folgte ihnen, bis sie zu einer kleinen Lichtung kamen, die vom Mond in silbernes Licht gehüllt war. Der Boden war weich und bedeckt mit Moos, und in der Mitte der Lichtung lagen verschiedene Tiere, die alle friedlich schliefen.


Ein Igel, ein Kaninchen, ein Fuchs und sogar eine kleine Maus lagen nebeneinander auf dem weichen Moos. Aber das Seltsamste war, dass diese Tiere nicht einfach nur schliefen. Es sah aus, als wären sie in einem gemeinsamen, magischen Traum.


"Schaut genau hin," sagte das Glühwürmchen, das jetzt dicht bei Emil schwebte. "Die Tiere träumen zusammen von einem Abenteuer."


Emil starrte die Tiere an. Ihre kleinen Schnäuzchen zuckten hin und wieder, ihre Pfoten bewegten sich sanft, als ob sie in einem tiefen, aufregenden Traum waren. Es war, als ob sie in eine Welt eingetaucht wären, in der alles möglich war. Emil konnte förmlich die Abenteuer spüren, die sie in ihren Träumen erlebten.


"Was träumen sie?" flüsterte er.


"Sie träumen von fernen Orten," antwortete das Glühwürmchen.


"Einige von ihnen segeln über weite Ozeane, andere steigen die höchsten Berge hinauf oder fliegen durch den Himmel, als wären sie Vögel."


Emil wollte wissen, wie es sich anfühlte, ein solches Abenteuer zu träumen. "Und wie kann ich das auch tun?" fragte er.


Das Glühwürmchen schüttelte den Kopf. "Der Schlaf muss in seinem eigenen Tempo kommen, Emil. Du kannst ihn nicht zwingen. Aber wenn du ihm geduldig und offen begegnest, wird er dich zu deinen eigenen Abenteuern führen."


Emil nickte nachdenklich. Vielleicht musste er einfach loslassen und dem Schlaf vertrauen. Während er dort auf der Lichtung stand, umgeben von den friedlich schlafenden Tieren und den tanzenden Glühwürmchen, begann sein Herz langsamer zu schlagen. Er fühlte sich ruhig und geborgen, als ob die ganze Welt um ihn herum sanft in den Schlaf glitt.


Plötzlich, als der Mond hoch am Himmel stand und der Wind nur noch ein leises Rauschen von sich gab, fühlte Emil, wie seine Augen immer schwerer wurden.


Die Müdigkeit überkam ihn langsam, aber sanft, und er fühlte sich, als ob er in eine weiche, warme Decke gehüllt wurde. "Vielleicht ist Schlaf doch nicht so schlecht," dachte er leise.


Und dann, als der letzte Funken seiner Wachsamkeit verschwand, fand Emil sich in einem wundervollen Traum wieder. Er flog durch den klaren, silbernen Himmel, die Sterne um ihn herum funkelnd und der Mond strahlte so hell, dass er fast als Begleiter neben ihm schwebte. Emil flog höher und höher, bis er die Welt unter sich als einen wunderschönen, leuchtenden Teppich sehen konnte.


Er war frei. Frei wie die Glühwürmchen, die in der Nacht tanzten, frei wie die Tiere auf der Lichtung, die von ihren Abenteuern träumten. Und in diesem Moment wusste Emil, dass der Schlaf nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Wundervollem war – einer Reise in die Welt der Fantasie und der Träume.


Gute Nacht, Emil.

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