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Die Feenkönigin vom Hardwald - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 30. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Die Feenkönigin steht mit ihren Tieren im Wald

Tief im Herzen eines uralten, fast vergessenen Waldes, weit hinter Wiesen, Hügeln und Bächen, lag ein Ort, den nur wenige kannten: der Hardwald. Es war kein gewöhnlicher Wald. Dort war jeder Baum ein Wächter, jede Blume eine Stimme, und jeder Tautropfen ein kleiner Spiegel der Magie. Die Zeit floss dort anders – nicht in Stunden oder Minuten, sondern in Blüten, Liedern und Windzügen.


In diesem geheimen Reich lebten die Feen. Sie waren klein, aber voller Licht, zart wie Schmetterlinge und stark wie das Wurzelwerk einer alten Eiche. Ihre Anführerin war Lysandra, die Feenkönigin vom Hardwald. Sie war weder streng noch fern – sie war warmherzig, klug, verspielt und voller Geheimnisse. Ihre Flügel glitzerten wie Morgenlicht auf einer Wasseroberfläche, und ihre Stimme war so klar wie ein Quellbach im Frühling.


Jeden Morgen, noch bevor die Sonne zwischen den Baumkronen hervorschaute, erwachte Lysandra mit einem Lächeln. Sie liebte das Erwachen des Waldes – das erste Gähnen eines Igels, das leise Knacken der Rinde, wenn ein Ast sich streckte, das winzige Kichern einer Blume, die sich öffnete.


„Guten Morgen, mein lieber Wald,“ flüsterte sie mit ihrer silberhellen Stimme, „heute ist ein Tag zum Wundern.“


Lysandra flog langsam durch das weiche Licht, das zwischen den Blättern tanzte. Überall, wo sie entlangschwebte, erwachten Dinge zum Leben. Ein Farn entrollte seine Spitze wie eine Schnecke, ein Tautropfen verwandelte sich in ein Prisma, ein Marienkäfer landete neugierig auf ihrer Hand.


Doch an diesem Tag spürte sie, dass etwas fehlte. Nicht etwas Bedrohliches – eher etwas Unvollständiges. Der Wald war schön, aber er war leise. Es fehlte das gemeinsame Lachen, das neugierige Fragenstellen, das Entdecken zwischen den Arten.


So rief sie alle Feen zu sich, in die große Baumlichtung am Silbersee. Dort stand die älteste Linde des Waldes, ihr Stamm so breit wie ein Haus und ihre Äste voller Geschichten. Die Feen flogen herbei, manche aus Baumhöhlen, andere aus Blütenkelchen oder von Moospolstern.


„Meine lieben Freunde,“ begann Lysandra mit ruhiger Stimme, „der Wald ist voller Leben, doch ich spüre eine Stille zwischen uns. Wir leben nebeneinander, aber nicht wirklich miteinander. Ich wünsche mir, dass wir einander kennenlernen – jede Wurzel, jedes Blatt, jedes Wesen.“


Die Feen sahen sich an, manche nickten, manche lächelten unsicher. Eine kleine Wasserfee mit glitzernden Haaren fragte leise:„Aber wie können wir alle kennenlernen? Es gibt so viele.“


Lysandra antwortete sanft:„Indem wir feiern. Indem wir zuhören. Indem wir teilen.“

Und so entstand die Idee für das erste Fest des Lebendigen Waldes, ein großes, buntes Zusammensein, bei dem jede Pflanze, jedes Tier, jedes Insekt, jeder Pilz, jeder Stein und jedes Wasserwesen willkommen war.


Drei Tage lang bereiteten sich alle vor. Die Bienen webten Lichter aus Blütenstaub. Die Spinnen spannten schimmernde Fäden, auf denen Tautropfen wie Lichterketten glitzerten. Die Pilze luden ihre Nachbarn ein, ihre Sporen dufteten süß und freundlich.


Lysandra selbst flog von Tier zu Tier, von Wurzel zu Wipfel, um alle einzuladen. Sie sprach mit dem alten Dachs, der kaum noch sein Bau verließ, und mit der schlauen Amsel, die immer alles beobachtete. Sie besuchte die Ameisen, deren Tunnel ein ganz eigenes Reich bildeten, und sie tanzte mit den Libellen über dem Mondteich.


„Du bist wichtig, auch wenn du klein bist,“ sagte sie zur Raupe auf dem Brombeerblatt. „Du bist wunderschön, auch wenn du anders bist,“ flüsterte sie dem stacheligen Igel zu.


Als das Fest begann, war die Lichtung ein Wunder aus Farben, Düften und Klängen. Moosteppiche lagen aus, Pilze leuchteten im Dunkeln, Vögel sangen in fremden Melodien. Tiere, die sich noch nie begegnet waren, saßen nebeneinander und teilten Beeren, Nüsse oder Geschichten. Die Bäume raschelten zustimmend, der Wind trug Lachen durch die Zweige.


In der Mitte der Lichtung stand Lysandra, umgeben von Feen, Tieren, Pflanzen und Geräuschen. Sie hob ihre Hände, und ein weicher Zauber breitete sich aus – ein Lied ohne Worte, das direkt ins Herz floss. In diesem Lied war das Summen der Bienen, das Tropfen des Regens, das Knacken von Holz, das Seufzen von Blättern. Es war die Melodie des Miteinanders.


„Jede Stimme zählt,“ sprach Lysandra, „nicht weil sie laut ist, sondern weil sie einzigartig ist. Zusammen sind wir der Wald.“


Dann geschah etwas Erstaunliches: Für einen Moment leuchtete alles – die Tiere, die Blätter, selbst die Steine – in einem sanften, goldenen Licht. Es war, als würde der Wald selbst lächeln. Und alle fühlten sich verbunden, auf eine Weise, die man nicht sehen, aber spüren konnte.


Das Fest dauerte bis tief in die Nacht. Füchse erzählten Geschichten, Frösche sangen Lieder, und die Bäume schenkten jedem ein Blatt mit einer besonderen Zeichnung – wie ein kleines Gedächtnis des Augenblicks. Niemand war allein. Niemand wurde übersehen.


Als die ersten Sonnenstrahlen den Himmel berührten, versammelte sich alles ein letztes Mal. Lysandra stand unter der alten Linde und sah jedem in die Augen – groß oder klein, laut oder still, schnell oder langsam.


„Was wir heute gespürt haben, lebt weiter in uns,“ sagte sie leise. „Wenn wir den anderen wirklich sehen, können wir alles verstehen.“


Dann flog sie davon, langsam, ganz hoch, begleitet von Schmetterlingen, Licht und Wind. Und während der Hardwald wieder in den Alltag glitt, blieb ein Zauber zurück – nicht in den Dingen, sondern in den Herzen.


Und wenn du in einer stillen Nacht draußen bist, ganz leise und mit offenen Ohren, dann kannst du sie manchmal hören: die Lieder des Waldes, das Flüstern der Blätter, und vielleicht – wenn du tief genug träumst – sogar die Stimme der Feenkönigin.


„Alles ist verbunden. Alles ist bedeutungsvoll. Du bist Teil des Wunders.“

Und mit diesen Gedanken kannst du nun deine Augen schließen, während die Geschichten des Hardwalds wie warme Träume um dich tanzen.


Gute Nacht.

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