Das Nashorn mit den bunten Hörnern
- Michael Mücke
- 11. Apr.
- 4 Min. Lesezeit

Es war einmal in einem geheimen, weit entfernten Dschungel, wo die Bäume so hoch wie Wolkenkratzer in den Himmel ragten und die Tiere in allen Farben des Regenbogens leuchteten. Hier lebte ein besonderes Nashorn namens Nilo. Doch Nilo war kein gewöhnliches Nashorn. Statt eines grauen, stämmigen Horns hatte Nilo sieben leuchtende, bunte Hörner, die in allen Farben strahlten: Rot, Blau, Gelb, Grün, Violett, Orange und Pink.
Jeden Tag, wenn Nilo durch den Dschungel wanderte, folgten ihm die anderen Tiere mit staunenden Augen. „Schau mal, das ist Nilo mit den bunten Hörnern!“, riefen die Affen und sprangen von Ast zu Ast, um einen besseren Blick zu bekommen. „Nilo, du siehst aus wie ein Regenbogen!“, jubelten die Schmetterlinge und flatterten fröhlich um ihn herum.
Doch Nilo fühlte sich oft ein wenig einsam. Die anderen Nashörner, die genauso stark und mutig waren wie er, hatten normale graue Hörner und konnten nie verstehen, warum Nilo so anders war. „Warum bist du nicht wie wir?“, fragten sie manchmal. Aber Nilo antwortete immer mit einem Lächeln: „Ich bin vielleicht anders, aber das macht mich besonders!“
Eines schönen Morgens, als die Sonne den Dschungel in ein goldenes Licht tauchte, erlebte Nilo etwas Außergewöhnliches. Er war gerade am Fluss und trank das frische, kühle Wasser, als er plötzlich ein leises Schluchzen hörte. Er drehte sich um und entdeckte ein kleines, weinendes Krokodil, das sich in einem dichten Busch verfangen hatte.
„Oh nein, was ist passiert?“, fragte Nilo besorgt und ging näher. Das kleine Krokodil schniefte und sah traurig zu Nilo auf. „Ich habe mich in den Dornen verfangen und komme nicht mehr raus. Alle Tiere haben mich gesehen, aber niemand hilft mir!“
Nilo fühlte ein warmes Gefühl in seinem Herzen.
„Keine Sorge, ich werde dir helfen!“ sagte er mutig und beugte sich zu dem Krokodil. Mit einem seiner bunten Hörner, das wie ein schimmernder Regenbogen im Sonnenlicht funkelte, schnitt Nilo vorsichtig die Dornen durch. Das Krokodil war so erleichtert und glücklich, dass es vor Freude spritzte.
„Danke, Nilo! Du bist ein wahrer Held!“, rief das Krokodil und umarmte ihn dankbar. Nilo lächelte, und für einen Moment fühlte er sich gar nicht mehr so anders. Es war das erste Mal, dass ein Tier ihm sagte, dass es ihn für etwas Besonderes hielt, nicht weil er anders war, sondern weil er geholfen hatte.
Nach dieser mutigen Tat machte Nilo sich wieder auf den Weg durch den Dschungel. Doch etwas hatte sich verändert. „Nilo, du hast uns allen gezeigt, dass es nicht darauf ankommt, wie man aussieht, sondern was man tut!“, riefen die Tiere, die ihn in der Ferne sahen. Die Vögel flogen in einem weiten Bogen über ihm und sangen fröhliche Lieder, die von seiner Heldentat erzählten.
Doch es war nicht nur die Dankbarkeit der Tiere, die Nilo glücklich machte. In dieser Nacht, als er am Flussufer lag und die Sterne betrachtete, dachte er nach. „Warum bin ich eigentlich anders? Warum habe ich sieben bunte Hörner, die alle so leuchten?“
Aber anstatt sich darüber Sorgen zu machen, lächelte er einfach. „Vielleicht“, dachte er, „habe ich diese bunten Hörner, um den Tieren zu helfen. Um den Dschungel ein bisschen heller zu machen.“
In den folgenden Tagen begann Nilo immer mehr Abenteuer zu erleben. Er half einem verletzten Leopard, einen Baum zu erklimmen, weil er seine Höhle nicht erreichen konnte. „Mit deinen bunten Hörnern kannst du Dinge tun, die keiner von uns tun kann!“, staunte der Leopard, als Nilo ihm eine sichere Strecke zeigte. Dann half Nilo einem kleinen Affen, der von einem hohen Ast gefallen war. „Du bist so stark, Nilo!
Dein Horn hat mich vor dem Sturz gerettet!“
Doch das größte Abenteuer von allen sollte noch kommen.
Eines Morgens, als die Dschungeltiere gerade ihre ersten Schritte in den Tag machten, hörte man plötzlich lautes Dröhnen und Rauschen. Der Fluss, der so ruhig und friedlich war, begann plötzlich, sich zu verändern. Wasser stieg immer weiter und weiter, und bald überschwemmte der Fluss einen großen Teil des Dschungels. Die Tiere gerieten in Panik und wussten nicht, was sie tun sollten.
„Wir müssen schnell etwas unternehmen!“, rief der alte Elefant mit besorgter Miene. „Der Fluss wird alles mit sich reißen!“
Nilo spürte die Angst der Tiere um sich. Doch plötzlich kam ihm eine Idee. „Ich werde den Fluss mit meinen bunten Hörnern stauen!“, rief er entschlossen. Die anderen Tiere sahen ihn mit großen Augen an. „Das ist verrückt, Nilo!“, rief der Affe. „Wie willst du das nur schaffen?“
Aber Nilo war fest entschlossen. Er ging zum höchsten Punkt des Flusses und stellte sich breitbeinig in das Wasser. Dann versammelte er sich mit seinen sieben bunten Hörnern, die nun in der Sonne glänzten wie nie zuvor. „Ich werde alles tun, um meinen Freunden zu helfen!“, sagte er leise zu sich selbst.
Langsam und vorsichtig neigte er seine Hörner ins Wasser, sodass sie wie eine Mauer gegen die Strömung wirkten. Das Wasser begann, sich zu sammeln und nicht mehr weiter zu fließen. Die Tiere, die sich auf den Hügeln versammelt hatten, sahen mit offenen Mündern zu. „Nilo tut es!“, rief der Elefant voller Erstaunen.
Mit all seiner Kraft hielt Nilo die Strömung auf. Die bunten Hörner, die er als so anders empfunden hatte, waren jetzt das, was den Dschungel rettete. Stundenlang kämpfte er gegen das Wasser, bis der Fluss schließlich wieder aufhörte, sich auszubreiten. Als das Wasser wieder ruhiger wurde und die Sonne den Dschungel in ein warmes Licht tauchte, brach ein großer Jubel aus.
„Du hast es geschafft, Nilo!“, rief das Krokodil, und alle Tiere liefen auf ihn zu. „Du hast den Dschungel gerettet!“
Nilo sah in die strahlenden Gesichter seiner Freunde und spürte, wie glücklich und erfüllt er war. „Ich wusste, dass ich etwas Besonderes tun konnte. Aber ich hätte es nie ohne euch geschafft. Wir sind alle einzigartig, jeder von uns hat etwas, das ihn besonders macht“, sagte Nilo, und die anderen Tiere nickten zustimmend.
Und so ging die Nachricht von Nilos mutiger Tat durch den ganzen Dschungel. Von diesem Tag an wurde Nilo nicht mehr als das „andere“ Nashorn gesehen. Er war ein Held, und die bunten Hörner, die einst so merkwürdig erschienen, wurden nun als das größte Geschenk des Dschungels gefeiert.
In jener Nacht, als der Mond hell über dem Dschungel schien und die Tiere friedlich einschliefen, dachte Nilo bei sich: „Ich bin genau richtig, so wie ich bin.“
Und mit einem zufriedenen Lächeln schlief er ein, um am nächsten Tag wieder neue Abenteuer zu erleben.