Bens großer Sprung
- Michael Mücke
- 28. Feb.
- 3 Min. Lesezeit

Tief im grünen Herzen des Waldes lag ein friedlicher Teich, umgeben von schilfigen Ufern und großen, runden Seerosenblättern, die auf dem Wasser tanzten. In diesem Teich lebte ein kleiner, neugieriger Frosch namens Ben.
Ben liebte es, mit seinen Freunden zu spielen, Fliegen zu fangen und auf den warmen Steinen am Ufer zu dösen. Doch es gab eine Sache, die ihm immer wieder Sorgen bereitete: der große Sprung über den Teich.
Jeden Tag sah er zu, wie der alte Frosch Gustav mit einem kräftigen Satz von einer Seite des Teichs zur anderen sprang. Auch seine Freunde Lilly und Max hüpften mühelos von Blatt zu Blatt und über den schimmernden Wasserspiegel hinweg.
„Komm schon, Ben! Versuch es doch!“ rief Lilly eines Tages und winkte ihm von einem Seerosenblatt auf der anderen Seite zu.
Ben stand am Ufer und betrachtete die glatte Wasseroberfläche. Der Teich schien heute größer denn je. „Ich weiß nicht…“ murmelte er und trat nervös mit seinen kleinen, grünen Zehen auf der Erde herum. „Was, wenn ich mitten im Sprung ins Wasser falle?“
„Dann schwimmst du einfach ans Ufer!“ lachte Max und hüpfte spielend ins Wasser.
Aber Ben schüttelte den Kopf. „Ich bin einfach kein guter Springer.“
In dieser Nacht lag Ben in seinem Laubbett und schaute zu den Sternen hinauf, die sich auf der Wasseroberfläche spiegelten. Plötzlich hörte er eine tiefe, freundliche Stimme.
„Du kannst es schaffen, Ben.“
Ben blinzelte und drehte sich um. Es war Gustav, der alte Frosch, der schon unzählige Male über den Teich gesprungen war. Seine großen, weisen Augen glänzten im Mondlicht.
„Aber ich bin nicht so stark wie du…“ erwiderte Ben leise.
Gustav schmunzelte. „Weißt du, mein kleiner Freund, als ich ein junger Frosch war, hatte ich genauso Angst wie du. Ich habe immer gedacht, dass ich es nicht schaffen würde. Aber irgendwann habe ich es einfach versucht – und weißt du was? Ich bin ins Wasser gefallen!“
Ben riss überrascht die Augen auf. „Wirklich?“
„Oh ja“, lachte Gustav. „Und beim nächsten Mal wieder. Und noch einmal. Aber mit jedem Versuch wurde ich besser, bis ich es eines Tages geschafft habe.“
Ben dachte über Gustavs Worte nach. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, zu scheitern? Vielleicht war der erste Sprung nicht dazu da, perfekt zu sein – sondern um zu lernen?
Am nächsten Morgen hatte sich eine kleine Gruppe Frösche am Ufer versammelt. Lilly und Max saßen gespannt auf einem Seerosenblatt, und Gustav schaute Ben mit einem ermutigenden Nicken an.
„Heute ist dein Tag, Ben!“ rief Lilly aufgeregt.
Ben atmete tief durch. Sein Herz klopfte wild in seiner Brust. Was, wenn ich ins Wasser falle? dachte er kurz. Aber dann erinnerte er sich an Gustavs Worte.
„Ich versuche es einfach!“ sagte er laut und stellte sich mit zitternden Beinen an den Rand des Ufers.
Er schloss die Augen, spannte seine Muskeln an, holte tief Luft – und sprang!
Der Wind pfiff ihm um die Ohren, das Wasser glitzerte unter ihm, und für einen kurzen Moment fühlte sich Ben so leicht wie eine Feder. Doch dann merkte er, dass er nicht ganz bis zur anderen Seite kommen würde. Mit einem lauten Platsch! landete er mitten im Teich.
Für einen Moment herrschte Stille. Ben tauchte aus dem Wasser auf und blinzelte. Lilly und Max schauten ihn mit großen Augen an. Gustav lächelte nur.
„Ben! Du bist gesprungen!“ rief Lilly begeistert.
Ben prustete und lachte dann. „Ja, und ich bin ins Wasser gefallen!“
„Und was heißt das?“ fragte Gustav mit einem wissenden Blick.
Ben paddelte zum Ufer zurück, zog sich aus dem Wasser und schüttelte sich. Dann blickte er entschlossen über den Teich.
„Das heißt, dass ich es noch mal probiere!“
Er ging ein paar Schritte zurück, atmete tief ein und sprang ein zweites Mal. Diesmal kam er näher an die andere Seite. Beim dritten Versuch noch näher. Und beim vierten Mal – landete er sicher auf einem großen Seerosenblatt!
Lilly und Max jubelten. „Du hast es geschafft, Ben!“
Ben strahlte. Er hatte es geschafft – und noch wichtiger: Er hatte gelernt, dass Mut bedeutet, es immer wieder zu versuchen, egal wie oft man fällt.
In dieser Nacht schlief Ben tief und fest unter dem funkelnden Sternenhimmel. Er wusste, dass noch viele große Sprünge auf ihn warteten – und dass er bereit war, sie alle zu meistern.