Banjo auf der Suche nach dem geheimnisvollen Trommeln - eine Geschichte zum Vorlesen
- Michael Mücke

- 9. Sept.
- 4 Min. Lesezeit

Banjo war ein junger Koala, dessen größtes Glück es war, auf seinem hohen Eukalyptusbaum zu liegen, die Sonne zu genießen und Blätter zu knabbern, bis sein Bauch rund wie eine Trommel war.
Er liebte die Ruhe, das sanfte Rascheln des Windes und das ferne Zirpen der Grillen. Doch eines Abends, als die Sonne unterging und der Himmel sich in Rosa und Gold färbte, kam Kiki, das flinke Känguru, mit weiten Sprüngen angerannt.
„Banjo, hast du es gehört?“ rief sie außer Atem und landete direkt unter seinem Baum.
Banjo blinzelte müde, rieb sich über die Nase und gähnte. „Was gehört? Ich habe nur geschlafen und von einem riesigen Berg voller Eukalyptus geträumt.“
Kiki wackelte ungeduldig mit den Ohren. „Die Trommeln, Banjo! Jede Nacht erklingt es im Wald, tief und laut, als würden Riesen trommeln. Bum-bum-bum, immer wieder!“
Banjo runzelte die Stirn. „Trommeln im Wald? Das klingt wirklich seltsam. Vielleicht hast du nur den Wind gehört, der durch die Äste weht.“
Doch am nächsten Morgen erzählte auch Lila, der bunte Papagei, von den Trommeln. Sie flatterte von Ast zu Ast, ganz aufgeregt, und rief: „Ich habe es genau gehört! Es war kein Wind, kein Regen, es war wie ein Konzert, mitten in der Nacht. Ich konnte kaum schlafen!“
Banjo wurde neugierig. Wenn gleich zwei seiner Freunde davon erzählten, musste doch etwas dahinterstecken. Also beschloss er, in der kommenden Nacht wach zu bleiben und das Rätsel zu lösen.
Als der Himmel dunkel wurde und der Mond hell durch die Zweige schien, kletterte Banjo vorsichtig vom Baum. Der Wald war voller Geräusche: das Zirpen der Grillen, das Quaken der Frösche, das Rascheln kleiner Tiere im Gras.
Alles klang vertraut, doch plötzlich hörte er es wirklich: Bum-bum-bum, tief und dumpf, als würde jemand mit Fäusten auf eine riesige Trommel schlagen.
„Da ist es ja!“ flüsterte Banjo aufgeregt. „Ich muss herausfinden, wer das ist.“
Er schlich vorsichtig über die Äste, sprang auf den Boden und folgte dem Klang. Unterwegs begegnete er Wally, dem alten Wombat, der langsam durch die Nacht stapfte.
„Wally, hörst du die Trommeln?“ fragte Banjo neugierig.
Wally gähnte, schüttelte den Kopf und brummte: „Ich habe nur meinen Bauch gehört, der nach Futter knurrt. Trommeln? Dafür bin ich zu alt. Aber wenn du etwas Seltsames suchst, geh doch zum Fluss. Dort hallt jedes Geräusch besonders laut.“
Banjo bedankte sich und trottete weiter. Der Weg war lang, und der Mond spiegelte sich silbern auf den Blättern.
Als er den Fluss erreichte, hörte er wieder das Bum-bum-bum, diesmal lauter und deutlicher. Banjo duckte sich, lugte vorsichtig hinter ein paar Büschen hervor und starrte ins Dunkel.
Doch da war niemand außer den Fröschen, die im Chor quakten, und den Wasserläufern, die flink über die Oberfläche huschten.
„Vielleicht verstecken sich die Trommler?“ murmelte Banjo.
In diesem Moment flatterte Lila von oben herab. „Hast du sie gefunden?“ rief sie.
„Nein,“ seufzte Banjo. „Nur das Wasser, die Frösche und das Rauschen. Aber das Trommeln höre ich immer noch.“
Die beiden lauschten eine Weile gemeinsam, bis Kiki herbeigehüpft kam. „Da seid ihr ja! Ich habe das Trommeln bis in mein Nest gehört. Es wird immer lauter!“
Zu dritt gingen sie tiefer in den Wald hinein.
Auf dem Weg begegneten sie noch anderen Tieren: Toby, dem kleinen Ameisenigel, der neugierig schnupperte, und sogar einer Eule, die sich von ihrem Ast meldete.
„Seid ihr auch wegen der Trommeln unterwegs?“ fragte die Eule mit ernster Stimme. „Ich höre sie jede Nacht, und sie halten mich vom Jagen ab.“
Banjo fühlte, wie seine Neugier immer größer wurde. Die Freunde beschlossen, die ganze Nacht wachzubleiben und das Geheimnis zu lüften. Sie setzten sich in einen Kreis, lauschten und warteten. Das Geräusch war deutlich da: Bum-bum-bum, regelmäßig, kräftig und unaufhörlich.
Doch je länger sie lauschten, desto mehr bemerkte Banjo etwas Merkwürdiges. Das Trommeln schien immer dann besonders laut zu sein, wenn er sich entspannte, wenn er tief durchatmete oder sogar leicht wegnickte. Als er kurz die Augen schloss, ertönte es so laut, dass Lila erschrocken aufflog.
„Banjo! Hörst du das? Es klingt, als wäre es direkt neben uns!“ rief Kiki.
Banjo öffnete die Augen, schaute sich um – und bemerkte plötzlich, dass seine Freunde ihn anstarrten.
„Banjo…“ sagte Lila langsam. „Das Trommeln kommt von dir.“
Banjo blinzelte verwirrt. „Von mir? Das ist unmöglich. Ich trommle doch nicht!“
Kiki lachte laut und sprang im Kreis. „Doch, Banjo! Jedes Mal, wenn du einschläfst, machst du dieses Geräusch. Bum-bum-bum – das bist du!“
Banjo legte die Pfoten auf seine Brust und merkte tatsächlich, wie sein ganzer Körper vibrierte, wenn er schnarchte. „Oh nein! Das Trommeln war die ganze Zeit mein eigenes Schnarchen?“
Die Freunde brachen in schallendes Gelächter aus. Die Eule kicherte leise, Toby kugelte sich vor Freude zusammen, und sogar der alte Wombat, der inzwischen dazugestoßen war, brummte vergnügt.
„Banjo, du bist das geheimnisvolle Trommelkonzert des Waldes!“ rief Lila.
Banjo wurde rot vor Verlegenheit, aber dann musste er ebenfalls lachen.
„Na gut, dann bin ich eben der Trommler. Aber nur, wenn ich zu viel Eukalyptus esse.“
Von diesem Tag an achtete Banjo ein wenig darauf, nicht zu viele Blätter auf einmal zu fressen.
Doch manchmal, wenn der Mond besonders hell leuchtete und der Wald still war, hörten die Tiere wieder ein tiefes Bum-bum-bum. Dann lächelten sie, kuschelten sich aneinander und flüsterten: „Banjo gibt wieder ein Konzert.“
Und so wurde das Schnarchen des kleinen Koalas nicht mehr gefürchtet, sondern geliebt, wie eine besondere Melodie, die den ganzen Wald in den Schlaf begleitete.




