Mit dem Wohnmobil durch Kanada - eine wunderschöne Gute-Nacht-Geschichte
- Michael Mücke

- 7. Okt.
- 3 Min. Lesezeit

Die Sonne ging gerade über Vancouver auf, als die Familie Sommer ihren großen Tag begann. Schon seit Wochen hatten sie auf diesen Moment gewartet, denn heute würden sie ihr Wohnmobil abholen und eine Reise durch Kanada starten.
Mama, Papa, der achtjährige Jonas und seine kleine Schwester Mia, die fünf war, standen aufgeregt auf dem Parkplatz und starrten auf das riesige, weiße Fahrzeug mit den blauen Streifen.
„Wow, das ist ja ein richtiges Haus auf Rädern!“, rief Jonas begeistert. Mia nickte mit großen Augen und klatschte in die Hände. „Da können wir bestimmt drinnen schlafen!“
Papa lachte und öffnete die Tür. Drinnen roch es nach frischem Holz und Abenteuer. Es gab kleine Betten, einen Tisch, eine winzige Küche und sogar ein Badezimmer. Mama prüfte die Vorräte, während Papa die Landkarte ausrollte.
„Unser erster Halt ist der Garibaldi-Nationalpark,“ sagte er und zeigte auf einen grünen Fleck nördlich von Vancouver. „Dort soll man herrlich wandern und Tiere beobachten können.“
Sie fuhren los, die Straßen führten durch dichte Wälder, vorbei an funkelnden Seen und schneebedeckten Bergen in der Ferne. Die Kinder drückten ihre Nasen an die Fenster. Jonas sah einen Adler hoch über dem Wasser kreisen, und Mia entdeckte einen kleinen Wasserfall, der sich silbern durch die Felsen schlängelte.
„Guck mal, Papa, da hinten glitzert’s!“, rief sie begeistert. Papa nickte. „Das ist die Sonne, die im Wasser tanzt.“ Am Nachmittag kamen sie am Nationalpark an.
Der Duft von Kiefern lag in der Luft, und der Wind rauschte sanft durch die Baumwipfel. Sie parkten das Wohnmobil auf einem kleinen Stellplatz, wo ein Schild stand: „Achtung, wilde Tiere!“ Jonas grinste. „Vielleicht sehen wir ja einen Bären!“ Mama lachte leise.
„Hoffentlich nur aus der Ferne.“
Sie machten eine Wanderung zu einem See, dessen Wasser so klar war, dass man jeden Stein auf dem Grund sehen konnte. Plötzlich blieb Mia stehen.
„Psst! Da ist was!“ Zwischen den Bäumen bewegte sich etwas. Eine kleine Familie Rehe stand dort, kaum fünf Meter entfernt, und beobachtete die Menschen neugierig. Die Rehe waren schlank und wunderschön, und eines kam sogar ein Stück näher.
„Hallo, kleines Reh,“ flüsterte Mia ganz leise. Das Reh schnaubte sanft und verschwand dann lautlos im Wald.
Am Abend machten sie ein Lagerfeuer und grillten Marshmallows. Die Sterne funkelten über ihnen, und in der Ferne hörten sie das Rufen einer Eule.
„Das ist die Sprache der Nacht,“ sagte Papa leise. „Sie erzählt Geschichten von den Bergen und den Tieren.“
Jonas und Mia hörten gespannt zu, wie Papa erfundene Geschichten von sprechenden Wölfen und tanzenden Nordlichtern erzählte, bis ihre Augen langsam zufielen.
Am nächsten Morgen fuhren sie weiter Richtung Norden, immer entlang der Rocky Mountains. Die Straße schlängelte sich durch Täler und über kleine Brücken, unter denen wilde Flüsse rauschten. In einem Nationalpark trafen sie auf einen Ranger, der ihnen erzählte, dass es dort Elche, Bären und sogar Wölfe gäbe.
„Seid achtsam und bleibt zusammen,“ sagte der Ranger freundlich.
Jonas konnte sein Glück kaum fassen, als sie wirklich einen Elch sahen, der am Straßenrand stand und gemächlich an einem Busch knabberte. „Der ist ja riesig!“, flüsterte er ehrfürchtig. Der Elch hob kurz den Kopf, sah sie an und trottete dann seelenruhig weiter. Mia lachte.
„Der sieht aus wie ein freundlicher Riese!“
Ein paar Tage später erreichten sie den Jasper-Nationalpark, wo hohe Wasserfälle donnerten und Gletscher in der Sonne glitzerten.
Sie machten eine Bootsfahrt auf einem türkisblauen See, und Jonas durfte sogar das Steuer halten, während der Kapitän neben ihm stand. Mia sammelte kleine bunte Steine vom Ufer und sagte: „Ich nehme sie mit, damit ich mich immer erinnern kann.“
In einer sternklaren Nacht schliefen sie auf einem Platz mitten in der Wildnis. Draußen knackte es leise, und Jonas wachte auf. Er spähte durch das Fenster und sah eine Bewegung.
Eine Gruppe Waschbären schlich neugierig um das Wohnmobil und suchte nach Futter. Jonas grinste und flüsterte: „Mia, wach auf! Wir haben Besuch!“ Die beiden Kinder beobachteten die Tiere eine Weile, bis Mama leise die Tür öffnete. „Na ihr kleinen Abenteurer, habt ihr wieder etwas entdeckt?“
Schließlich ging ihre Reise weiter bis zu den tosenden Wasserfällen von Wells Gray, wo Regenbögen im Sprühnebel tanzten. Sie wanderten durch moosige Wälder, planschten in eiskalten Bächen und machten Fotos von jeder Entdeckung.
Am letzten Abend ihrer Reise saßen sie alle zusammen auf einer Picknickdecke am Ufer eines stillen Sees. Die Sonne versank langsam hinter den Bergen und färbte den Himmel golden und rosa.
„Das war die schönste Reise, die wir je gemacht haben,“ sagte Mama leise. Papa nickte. „Kanada ist voller Wunder, wenn man nur genau hinschaut.“ Jonas und Mia kuschelten sich an ihre Eltern und sahen zu, wie die Sterne aufgingen.
„Wenn ich groß bin,“ flüsterte Jonas, „kaufe ich mir auch ein Wohnmobil und fahre noch weiter.“ Mia lächelte verschlafen. „Dann komme ich mit.“
Und während der Wind leise durch die Bäume rauschte und das Wasser glitzerte, schliefen die beiden Kinder friedlich ein – mit Träumen voller Wälder, Tiere und unvergesslicher Abenteuer.




