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Die Umarmung, die nie verschwand - eine Geschichte über Gefühle

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 14. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit
Loira und Nuriel stehen vor dem Gefühlbaum

Die Geschichte beginnt an einem Abend, der so ruhig war, dass selbst die Wälder rings um das kleine Dorf innehielten und zu lauschen schienen. Der Himmel glühte in sanften Farben, und eine feine Brise strich durch die Baumwipfel, während die ersten Sterne vorsichtig am Horizont aufleuchteten. In diesem friedlichen Dorf lebte ein warmherziges Kind namens Liora, die für ihre freundliche Art und ihre neugierige Fantasie bekannt war.


Liora liebte es, die kleinen Wundern des Alltags zu entdecken, doch an diesem besonderen Abend spürte sie, dass etwas Wichtiges geschehen würde, obwohl sie nicht wusste, was genau.


Sie saß auf der breiten Stufe vor ihrem Haus, die sich über den Tag hinweg mit der Wärme der Sonne aufgeladen hatte, und sie lauschte den vertrauten Geräuschen des Dorfes. Kinder lachten in der Ferne, ein Hund bellte zweimal, und eine Tür knarrte irgendwo am Rand des Dorfplatzes.


Plötzlich jedoch veränderte sich die Luft um sie herum, und ein winziger Lichtfunke erschien genau vor ihr. Der Funke zitterte wie ein kleines Glühwürmchen, wurde heller, größer und formte sich nach und nach zu einem sanft schimmernden Wesen, das kaum größer als Lioras Hand war.


Das Wesen lächelte freundlich und sagte in einer Stimme, die wie ein warmer Windhauch klang "Ich bin Nuriel, der Hüter der verschwindenden Gefühle".


Liora spürte sofort ein weiches Kribbeln in ihrer Brust, und sie fragte neugierig, was ein solcher Hüter wohl bewache. Nuriel erklärte geduldig, dass er jenen Gefühlen nachspüre, die Menschen manchmal verlieren oder vergessen, obwohl sie einst von großer Bedeutung für sie gewesen seien.


Manche Gefühle würden im Lärm des Alltags untergehen, andere würden aus Angst oder Traurigkeit verdrängt, und wieder andere würden irgendwo tief im Herzen versteckt liegen, ohne dass man sie bewusst wahrnehme.


Liora dachte an ihre eigenen Gefühle und wurde still. Schließlich erzählte sie, dass es eine Umarmung gab, die sie niemals vergessen wollte, auch wenn die Erinnerung daran manchmal schmerzte. Es war die Umarmung ihrer Oma, die vor einiger Zeit gestorben war und die sie unendlich lieb gehabt hatte.


Liora erzählte, dass ihre Oma die besten Geschichten erzählt, die wärmsten Hände gehabt und immer gewusst hatte, wie sie Liora trösten konnte, wenn die Welt zu groß oder zu dunkel erschien. Ihre letzte Umarmung hatte sich so stark, so sicher und so voller Liebe angefühlt, dass Liora manchmal befürchtete, diese Erinnerung könne verblassen, selbst wenn sie das niemals wollte.


Nuriel hörte aufmerksam zu und legte eine schimmernde Hand auf Lioras Arm. Dann sagte er sehr sanft "Nichts verschwindet wirklich, wenn dein Herz es festhält". Diese Worte drangen tief in Lioras Herz und füllten es mit einer feinen Wärme, die sich so vertraut anfühlte, dass Liora fast glaubte, ihre Oma wäre für einen Augenblick bei ihr.


Nuriel schlug vor, gemeinsam einen besonderen Ort im Wald zu besuchen, weil dort etwas auf Liora wartete, das sie wiederfinden sollte. Liora wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, stand langsam auf und folgte Nuriel auf einem schmalen Pfad, der sich zwischen hohen Tannen hindurchwand.


Der Wald empfing sie mit seinem leisen Rascheln, dem Duft von Moos und Erde, und dem fernen Ruf einer Eule, die neugierig über sie hinwegflog.


Während sie gingen, erzählte Nuriel Geschichten über die Menschen, denen er geholfen hatte, verlorene Gefühle oder wertvolle Erinnerungen wiederzufinden. Manche hatten ihre Freude vergessen, manche ihren Mut und manche sogar die Freude an einer zärtlichen Umarmung. Liora hörte aufmerksam zu und fühlte, wie sie sich mit jedem Schritt ein kleines Stück leichter und gleichzeitig mutiger fühlte, weil sie spürte, dass sie nicht allein mit ihrer Sehnsucht war.


Nach einer Weile erreichten sie eine Lichtung, die Liora zuvor noch nie gesehen hatte, obwohl sie den Wald gut kannte. In ihrer Mitte stand ein gewaltiger Baum, dessen Rinde in goldenen Mustern schimmerte und der so alt wirkte, als hätte er jede Freude, jeden Schmerz und jedes Lachen der Welt miterlebt. Die Luft um den Baum herum war warm, obwohl ein sanfter Wind wehte, und Liora fühlte sich sofort geborgen.


Nuriel bedeutete ihr näherzutreten und sagte in feierlicher Stimme "Dieser Baum bewahrt die stärksten Gefühle, die je gefühlt wurden".


Liora legte vorsichtig ihre Hand auf die Rinde, die sich überraschend weich und warm anfühlte, fast wie die Hände ihrer Oma. In diesem Moment wurde die Lichtung ganz still, und ein feines Summen begann in der Luft zu vibrieren, als würde der Baum gleich ein Geheimnis preisgeben.


Liora schloss die Augen und atmete tief ein, und plötzlich durchströmte sie eine Erinnerung so klar, dass sie die Wärme beinahe körperlich spürte. Es war die letzte Umarmung ihrer Oma, die Umarmung, die sie nie vergessen wollte.


Liora sah vor ihrem inneren Auge das liebevolle Lächeln der älteren Frau, hörte ihre leise Stimme und fühlte die starken, warmen Arme, die sie gehalten hatten, als ginge nichts Schlimmes jemals verloren.


Tränen liefen über Lioras Wangen, doch sie fühlte keinen Schmerz, sondern eine tiefe, liebevolle Ruhe. Sie flüsterte mit bebender Stimme "Diese Umarmung fühlt sich wie mein Zuhause an".


Nuriel nickte und erklärte, dass manche Gefühle so kraftvoll und liebevoll seien, dass sie niemals verschwinden könnten, selbst wenn der Mensch, von dem sie stammen, nicht mehr hier sei.


Der Baum bewahrte solche Gefühle und gab sie nur denen zurück, deren Herz bereit war, sie wieder zu tragen und ihnen Raum zu geben. Liora öffnete langsam die Augen und fühlte, wie die Wärme der Umarmung noch immer in ihr pulsierte, als würde ein unsichtbares Licht in ihr weiterglühen.


Liora setzte sich an die breiten Wurzeln des Baumes, und Nuriel ließ sich neben ihr nieder. Liora fragte leise, ob sie die Umarmung ihrer Oma für immer spüren könne, weil sie sie niemals verlieren wollte.


Nuriel sah sie liebevoll an und sagte "Solange du dich erinnerst, bleibt jede echte Umarmung Teil von dir". Diese Worte fühlten sich an wie ein Versprechen, das nur für sie gemacht worden war.


Die Nacht senkte sich über die Lichtung, und die Sterne funkelten weich durch die Zweige des alten Baumes. Liora fühlte sich sicher und tief verbunden, nicht nur mit ihrer Oma, sondern auch mit ihrem eigenen Herzen, das stärker war, als sie je vermutet hätte. Sie ruhte sich dort noch ein wenig aus und lauschte der Stille, die sich wie ein sachter Schutz um sie legte.


Schließlich machte sie sich zusammen mit Nuriel auf den Rückweg, und als sie den Rand des Waldes erreichten, drehte sich Nuriel zu ihr und sagte mit einer Stimme, die wie Mondlicht schimmerte "Dein Herz wird dich immer dorthin führen, wo du geliebt wirst".


Liora lächelte dankbar, weil sie wusste, dass diese Worte wahr waren.

Als sie später in ihr Bett kroch, die Decke sanft über sich zog und ihre Augen schloss, fühlte sie die niemals verschwindende Umarmung ihrer Oma so klar, als stünde sie direkt neben ihr.


Diese Umarmung begleitete sie in den Schlaf, behütete ihre Träume und erinnerte sie daran, dass Liebe, die einmal tief empfunden wurde, niemals verloren gehen kann, egal wie weit ein Mensch entfernt ist.

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