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Die Märchenwelt der sprechenden Bäume - eine vielfältig schöne Geschichte zum Vorlesen

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 11. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit
Ein sprechender Baum steht in der Märchenwelt

Es war einmal ein kleiner Junge namens Emil, der in einem Dorf am Rande eines riesigen, uralten Waldes lebte. Der Wald war so groß, dass er im Morgennebel wie ein eigenes Land wirkte, das jenseits der normalen Welt lag.


Die Dorfbewohner erzählten sich seit Generationen Geschichten über seltsame Lichter zwischen den Bäumen, über Stimmen, die im Wind sprachen, und über Wege, die sich änderten, sobald man einen Schritt zu weit gegangen war. Doch die meisten Erwachsenen lachten darüber und meinten, es seien nur Märchen, um Kinder vom Alleingang abzuhalten.


Emil jedoch war anders. Er spürte jedes Mal, wenn er am Waldrand stand, dass dort etwas lebte, das mehr war als Vögel, Füchse und alte Baumstämme. Er liebte den Geruch nach feuchtem Moos, das Knacken von Zweigen unter seinen Schuhen und das leise Rauschen, das sich manchmal anhörte wie eine geheimnisvolle Sprache.


Eines Abends, als der Himmel schon in sanftem Gold und Rosa leuchtete, beschloss Emil, tiefer in den Wald zu gehen als je zuvor. Er folgte einem schmalen, krummen Pfad, auf dem kleine, leuchtende Käfer tanzten. Die Luft wurde kühler, und die Schatten streckten sich wie lange Finger über den Boden.


Plötzlich hörte er eine tiefe, sanfte Stimme direkt vor sich: „Du bist spät dran, Emil.“ Er blieb wie angewurzelt stehen. Die Stimme kam nicht von links oder rechts, nicht von oben oder unten – sie kam von einem Baum.


Vor ihm stand eine gewaltige Buche, deren Äste weit in den Himmel ragten. Ihre Rinde wirkte, als würde sie sich bei jedem Atemzug bewegen. „Ja, ich rede mit dir,“ sagte der Baum mit einem warmen Ton, „und ich habe dich erwartet.“


Der Baum stellte sich als Herr Blattbart vor. Er war einer der ältesten Bäume des Waldes und der Hüter seiner Geheimnisse. „Dieser Wald ist eine Märchenwelt, aber nur wenige finden den Weg hinein. Du hast die Gabe, zuzuhören – und deshalb darfst du bleiben.“


Herr Blattbart führte Emil tiefer in den Wald, wo jeder Baum eine eigene Persönlichkeit hatte.


Im ersten Kapitel seiner Reise begegnete Emil Frau Mooskrone, einer uralten Eiche, deren Zweige so voller Moos waren, dass sie wie ein grünes Kleid wirkten. Zwischen den Ästen flatterten bunte Vögel, die neugierig zwitscherten. Frau Mooskrone erzählte: „Diese Vögel sammeln eure Träume in der Nacht. Sie bringen sie zu uns, und wir bewahren sie wie kostbare Samen.“ 


Ein kleiner roter Vogel landete auf Emils Schulter und sang eine Melodie, die so vertraut klang, dass Emil das Gefühl hatte, er hätte sie schon einmal in einem Traum gehört.


Im zweiten Kapitel führte ein Pfad aus leuchtenden Pilzen Emil in den wirbelnden Tannenwald. Dort standen die Bäume so dicht, dass der Wind ihre Nadeln wie Saiten eines riesigen Instruments zum Klingen brachte. Spitzhut, ein junger Tannenbaum, beugte sich zu Emil und flüsterte: „Hier erzählen wir unsere Geschichten in Liedern. Hör zu und du wirst sehen.“ Emil schloss die Augen und hörte im Rauschen eine Geschichte von Schnee, Sternen und nächtlichen Wundern.


Das dritte Kapitel brachte Emil zu den Flüsterpappeln am Rand eines geheimen Sees. Das Wasser war glatt wie Glas und spiegelte nicht nur das Gesicht, sondern auch die Seele eines jeden, der hineinsah. Emil sah seine mutigen Momente, seine Schüchternheit und einen Funken, der wie reines Licht brannte. Eine Pappel mit silbrigem Laub sprach sanft: „Mut ist, zu gehen, auch wenn man den Weg noch nicht kennt.“


Im vierten Kapitel wurde es seltsam. Emil betrat den Lachbirkenhain, in dem die Bäume kicherten, sobald jemand an ihnen vorbeiging. Je schneller Emil lief, desto lauter lachten sie. Schließlich konnte er selbst nicht mehr aufhören zu lachen. Eine Birke rief: „Manchmal ist Lachen die beste Antwort auf alles.“


Doch Herr Blattbart sagte, die Reise sei noch nicht zu Ende.


Im fünften Kapitel gelangten sie zum Wurzeltheater. Dort hatten die Bäume ihre Wurzeln so ineinander verschlungen, dass eine große, offene Bühne entstanden war. Pilze leuchteten wie Scheinwerfer, und die Baumgeister führten Geschichten auf – nicht mit Worten, sondern mit Licht, Gerüchen und leisen Klängen. Emil roch plötzlich frischen Regen, sah goldene Funken im Dunkeln und hörte das ferne Summen von Bienen, die es hier gar nicht gab. „Das sind Erinnerungen des Waldes,“ erklärte Herr Blattbart, „und heute bist du der Ehrengast.“


Im sechsten Kapitel besuchten sie den Zeitbaum. Sein Stamm war mit Jahresringen bedeckt, die sich bewegten wie flüssiges Holz. Emil legte die Hand darauf und sah in einem Augenblick die Geschichte des Waldes – von der ersten Eichel, die keimte, bis zu den Tieren, die hier lebten. Der Zeitbaum sprach langsam, als müsse jedes Wort aus Jahrhunderten geholt werden: „Alles ist miteinander verbunden. Jeder Schritt, jedes Blatt, jede Geschichte.“


Schließlich erreichten sie im siebten Kapitel den Herzbaum, einen mächtigen, hohlen Baum in der Mitte einer Lichtung. Drinnen lag eine kleine Holzkiste mit der Inschrift: „Für den Hüter der Geschichten.“ Emil öffnete sie vorsichtig und fand eine Feder, die wie aus flüssigem Licht bestand. Herr Blattbart sagte: „Mit dieser Feder kannst du Geschichten in die Herzen schreiben. Doch wähle weise, denn jede Geschichte verändert die Welt.“


Als Emil den Wald verließ, leuchtete der Mond über den Baumwipfeln. Der Wind flüsterte ihm zu: „Wir sehen uns wieder.“ Und Emil wusste, dass er eines Tages zurückkehren würde, um neue Kapitel in der Märchenwelt der sprechenden Bäume zu entdecken.

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