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Der Zauberspruch: "Ich bin für dich da" - Kinder-Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 23. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Lino sitzt mit seiner Mama auf dem Bett

Es war einmal ein kleiner Junge namens Lino, der in einem verträumten Dorf am Rand eines alten Waldes lebte. Das Dorf war so klein, dass man morgens die Glocken der Bäckerei hörte, wenn der erste Laib Brot aus dem Ofen gezogen wurde, und abends konnte man die Grillen zählen, die im hohen Gras zirpten.


Die Häuser hatten schräge Dächer, runde Fenster und Kamine, aus denen der Rauch wie tanzende Wölkchen in den Himmel stieg. Die Menschen dort grüßten einander mit Namen, und jeder kannte jeden, aber das bedeutete nicht, dass Lino sich nie einsam fühlte.


Er war ein sensibler Junge, der mehr sah und fühlte als viele andere Kinder in seinem Alter. Während die anderen sich beim Fußball drehten und lachten, beobachtete Lino lieber die Muster der Wolken oder lauschte dem Rascheln der Blätter, als würden sie ihm Geschichten erzählen, die niemand sonst hören konnte. Seine Mutter war sein wichtigster Mensch.


Sie war warmherzig, klug und besaß die besondere Gabe, mit wenigen Worten Trost zu spenden. Ihr Lächeln war wie Sonnenlicht, das durch die Gardinen fiel, und ihre Umarmungen waren so sanft wie das Flüstern des Windes über ein ruhiges Feld.


Lino hatte ein kleines Zimmer unterm Dach, direkt unter dem Fenster, durch das er nachts die Sterne zählen konnte. Dort oben fühlte er sich geborgen und gleichzeitig verloren, denn manchmal wurde die Dunkelheit so groß, dass er meinte, sie könnte ihn verschlucken. Es gab Abende, an denen ihm plötzlich ein Kloß im Hals steckte und seine Gedanken so laut wurden, dass er sie nicht mehr abschalten konnte. Dann zog er die Decke bis unter das Kinn und wartete darauf, dass seine Mutter kam.


Eines dieser Abende kam ganz leise. Der Regen tropfte sacht ans Fenster, und der Wind spielte mit dem Vorhang wie mit einem alten Freund. Lino lag wach und konnte nicht einschlafen. Seine Gedanken liefen im Kreis: Warum hatte sein Freund Ben heute beim Spielen so gemein gelacht, als er gestolpert war? Hatte er es mit Absicht getan? Oder mochte er ihn einfach nicht mehr?


Da hörte Lino leise Schritte auf der Treppe, die knarrten wie müde Äste im Wald. Seine Mutter kam herein, trug ein weiches, wolliges Tuch um die Schultern und roch nach warmem Tee und Lavendel.


Sie setzte sich ans Bett, ohne etwas zu sagen. Sie legte ihre Hand auf seine und spürte sofort, dass sein kleines Herz zu schnell schlug.


Dann sagte sie mit ruhiger, tiefer Stimme: „Weißt du, mein Herz, ich möchte dir heute etwas sehr Wichtiges schenken. Etwas, das stärker ist als jeder Zauber, den du je gehört hast.“


Lino hob den Kopf und seine Augen funkelten, obwohl sie ein wenig feucht waren. „Einen Zauber?“ fragte er mit rauer Stimme.


„Ja, einen Zauberspruch. Einen ganz alten. Einen, den man nicht sehen kann, aber spüren.“


Sie legte ihre Stirn an seine und flüsterte: „Der Spruch lautet: Ich bin für dich da.“

Lino blinzelte. „Ist das wirklich ein Zauber?“


„Oh ja,“ sagte sie mit einem Lächeln.


„Denn jedes Mal, wenn du ihn sagst, wächst ein unsichtbares Band zwischen deinem Herzen und dem eines anderen Menschen. Ein Band aus Licht, das niemand durchtrennen kann.“


Sie erzählte ihm, dass dieser Spruch schon von Großeltern zu Eltern und von Eltern zu Kindern weitergegeben wurde, seit vielen, vielen Jahren. Dass er manchmal ausgesprochen wurde, manchmal nur gefühlt, aber immer da war, wie ein sicherer Anker im Sturm.


Von diesem Tag an wurde der Zauberspruch ein Teil von Lino. Morgens, wenn er sich die Schuhe band und seine Mutter ihm den Ranzen reichte, flüsterte sie: „Ich bin für dich da.“ Und Lino lächelte, auch wenn ihm der Tag schwer erschien, und antwortete: „Ich bin auch für dich da.“


In der Schule, wenn ihn etwas bedrückte, legte er die Hand auf sein Herz und murmelte ganz leise: „Ich bin für dich da.“ 


Dann spürte er ein kleines Glühen, tief drinnen, und es war, als würde seine Mutter genau in diesem Moment an ihn denken.


Eines Tages im Winter, als der erste Schnee gefallen war und die Welt wie in Watte gehüllt lag, passierte etwas Besonderes. Lino entdeckte ein kleines Kätzchen, das zitternd unter einer Parkbank saß. Es miaute kläglich und hatte große, verängstigte Augen.


Ohne zu zögern zog Lino seinen Schal ab, wickelte das Kätzchen darin ein und flüsterte: „Ich bin für dich da.“ Das Kätzchen hörte sofort auf zu zittern und schmiegte sich fest an ihn. In diesem Moment begriff Lino, dass der Zauberspruch nicht nur für ihn gedacht war – sondern für alle, die Trost brauchten.


In den Wochen danach begann Lino, den Zauber zu teilen. Er flüsterte ihn einem Kind zu, das auf dem Schulhof weinte. Er sagte ihn zu seinem Großvater, als dieser müde in seinem Sessel saß. Und jedes Mal wuchs sein Herz ein kleines bisschen.


Es wurde Frühling, und das Dorf blühte auf. Die Wiesen waren voller Blumen, und die Luft duftete nach frischer Erde und Hoffnung. Eines Abends, als der Himmel rosa leuchtete und Lino wieder unter seinem Fenster saß, kam seine Mutter mit einer Tasse warmer Milch. Sie setzte sich neben ihn, und sie schauten gemeinsam in den Himmel.


„Was denkst du gerade?“ fragte sie leise.


„Ich denke daran, wie viele Menschen den Spruch vielleicht gerade sagen,“ antwortete Lino. „Vielleicht ist irgendwo ein Kind traurig. Vielleicht flüstert es jetzt: Ich bin für dich da.“


Seine Mutter nickte. „Und vielleicht spürt es, dass du es meinst. Denn Liebe kennt keine Entfernung.“


Lino lächelte, lehnte sich an sie und sagte leise: „Ich bin für dich da.“

Sie legte den Arm um ihn, zog ihn noch näher an sich und flüsterte zurück: „Ich bin immer für dich da.“


Und so schlief Lino an diesem Abend mit einem Lächeln ein. Draußen rauschte der Wind leise durch die Bäume, und drinnen lag ein Kind, das die Welt ein kleines Stück heller gemacht hatte, mit nur vier Worten und einem offenen Herzen.

„Ich bin für dich da.“


Und vielleicht, wenn du heute Nacht genau hinhörst, flüstert jemand diesen Zauberspruch auch dir zu.

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