Der Prinz mit dem Zauberpinsel - eine fesselnde, tolle Gute-Nacht-Geschichte
- Michael Mücke

- 31. Aug.
- 4 Min. Lesezeit

Es war einmal, in einem fernen Reich voller geheimnisvoller Wälder, funkelnder Seen und hoher Berge, ein junger Prinz mit Namen Elias. Elias war freundlich und mutig, doch manchmal auch sehr nachdenklich.
Während andere Prinzen gerne Turniere veranstalteten oder mit glänzenden Schwertern kämpften, liebte Elias das Malen und die Geschichten, die er mit seinen Bildern erzählen konnte. Er hatte immer Pinsel, Farben und Pergament bei sich und verbrachte Stunden damit, die Schönheit der Welt festzuhalten.
Eines Abends, als er im Dachboden des Schlosses stöberte, fand er eine schwere Holztruhe, die mit seltsamen Zeichen verziert war. Er öffnete sie neugierig und entdeckte darin einen Pinsel, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
Der Griff war aus einem dunklen, warm schimmernden Holz gefertigt, auf dem winzige Sterne eingraviert waren. Die Borsten jedoch leuchteten in allen Regenbogenfarben, als würden sie selbst aus Licht bestehen.
Elias nahm den Pinsel in die Hand, und plötzlich hörte er eine sanfte Stimme in der Stille des Raumes: „Prinz Elias, ich bin der Zauberpinsel. Mit meinen Farben kannst du nicht nur malen, sondern auch erschaffen. Doch sei achtsam: Jede Farbe trägt ihre eigene Macht, und du musst lernen, sie weise zu nutzen.“
Elias’ Herz pochte vor Aufregung. Er konnte kaum glauben, dass er einen solch wundervollen Schatz gefunden hatte. Noch in derselben Nacht konnte er nicht schlafen, denn er dachte darüber nach, was er mit den Farben erschaffen könnte.
Schließlich beschloss er, am nächsten Morgen mit dem Pinsel hinauszuziehen, um die Welt zu erkunden und zu sehen, ob er mit seiner neuen Gabe helfen konnte.
Am ersten Tag seiner Reise erreichte Elias ein Dorf am Rand des Königreichs. Die Menschen dort waren in großer Not, denn ein gewaltiger Sturm hatte alle Felder zerstört. Die Erde war trocken und rissig, und nichts wollte mehr wachsen.
Elias spürte ihre Verzweiflung und zog den Pinsel hervor. Er tauchte ihn in die Luft, die sofort in einem satten Grün zu leuchten begann, und malte über die kahlen Felder.
Vor den Augen der Menschen sprossen kräftige Halme, Blumen öffneten ihre Knospen, und Bäume voller Früchte wuchsen in wenigen Augenblicken empor.
Die Dorfbewohner staunten und riefen voller Freude: „Der Prinz mit dem Zauberpinsel hat uns gerettet!“
Elias aber lächelte bescheiden und sprach: „Die Farben gehören nicht mir, sie gehören der Welt. Ich darf sie nur leihen, um Gutes zu tun.“
Am zweiten Tag wanderte Elias weiter und kam an eine tiefe Schlucht. Eine alte Brücke war eingestürzt, und niemand wagte mehr den Weg, denn der Abgrund war so tief, dass man den Boden kaum erkennen konnte. Viele Reisende standen verzweifelt am Rand, weil sie nicht mehr heimkehren konnten.
Elias betrachtete die Schlucht lange und wählte schließlich ein warmes, kräftiges Braun. Mit schnellen Strichen malte er über den Abgrund eine hölzerne Brücke, die sofort fest und stark wurde.
Die Menschen jubelten, doch Elias ermahnte sie: „Überquert die Brücke vorsichtig und erinnert euch, dass Zusammenhalt jede Kluft überwinden kann.“
Am dritten Tag führte ihn sein Weg in einen düsteren Wald. Dort herrschte tiefe Finsternis, so dicht, dass selbst tagsüber kaum Licht die Bäume durchbrach.
Tiere versteckten sich ängstlich, und niemand wagte es, den Wald zu betreten. Elias nahm seinen Pinsel und tunkte ihn in ein strahlendes Gelb. Mit einem großen Schwung malte er eine Sonne über die Baumwipfel.
Augenblicklich brach warmes Licht durch die Äste, die Dunkelheit wich zurück, und die Tiere traten vorsichtig hervor. Eine Eule setzte sich neben ihn und sprach: „Du hast nicht nur Licht gebracht, sondern auch Mut. Der Wald wird sich daran erinnern.“
Doch Elias wusste, dass nicht alle Aufgaben so einfach sein würden. Am vierten Tag traf er in einem Tal auf Menschen, die in Streit geraten waren. Zwei Dörfer hatten sich entzweit, weil sie beide glaubten, das Land zwischen ihnen gehöre nur ihnen allein. Der Streit drohte zu einem Kampf zu werden.
Elias beobachtete die Menschen mit schwerem Herzen, denn er wusste, dass kein Pinselstrich den Hass einfach verschwinden lassen konnte.
Schließlich griff er zu einem leuchtenden Blau und malte einen weiten, klaren See zwischen den Dörfern. Das Wasser funkelte in der Sonne und spiegelte den Himmel. Die Menschen verstummten, als sie das Wunder sahen.
Mit der Zeit erkannten sie, dass der See beiden Dörfern gehören konnte, denn er schenkte Wasser, Fische und Schönheit für alle. Elias sagte sanft: „Die Welt ist groß genug für jeden von euch. Teilt, was sie euch schenkt, und ihr werdet stärker sein.“
Tag für Tag stellte sich der Prinz neuen Aufgaben. Mal half er Tieren, die keinen Unterschlupf mehr hatten, indem er mit violetten Strichen Höhlen und sichere Nester malte. Mal erschuf er Wege, wenn Menschen verloren waren, oder er zeichnete Regenbögen, die Hoffnung und Freude brachten.
Jeder Tag lehrte ihn etwas Neues über die Macht der Farben und die Verantwortung, die damit verbunden war. Doch dann, nach vielen Wochen, kehrte Elias zurück in die Nähe seines Schlosses.
Schon von weitem sah er, dass etwas nicht stimmte. Ein schwarzer Nebel lag über dem Land, und dunkle Gestalten bewegten sich darin. Im Schlossgarten stand ein alter Zauberer, dessen Herz voller Neid und Zorn war.
Er hatte vom Zauberpinsel gehört und wollte ihn an sich reißen. Mit kalter Stimme rief er: „Prinz Elias, gib mir den Pinsel, oder ich hülle dein Reich in ewige Finsternis!“
Elias zitterte, doch er erinnerte sich an all die Prüfungen, die er bestanden hatte. Er wusste, dass der Pinsel ihm nur dann helfen konnte, wenn er mit reinem Herzen handelte. So wählte er zuerst ein helles Weiß und malte einen Kreis aus Licht, der die Dunkelheit zurückdrängte.
Dann nahm er Rot, das für Mut stand, und malte eine große, brennende Flamme, die die bösen Gestalten verscheuchte. Schließlich griff er zu allen Farben zugleich und schuf einen Regenbogen, der sich weit über das Schloss spannte. Der Regenbogen leuchtete so stark, dass der Zauberer geblendet wurde und mit einem wütenden Schrei verschwand.
Das Volk eilte herbei, jubelte und rief: „Der Prinz mit dem Zauberpinsel hat uns befreit!“ Elias aber hob den Pinsel und sprach: „Die Farben allein haben uns nicht gerettet. Es war unser Mut, unsere Hoffnung und unser Wunsch, Gutes zu bewahren.“
Von diesem Tag an galt Elias als Hüter der Farben. Er verwahrte den Pinsel sorgsam, benutzte ihn nur in Not und lehrte die Menschen, dass in jedem von ihnen eine Farbe leuchtet, die die Welt schöner machen kann.
Und wenn er abends im Schlossgarten stand und den Himmel betrachtete, dachte er lächelnd: „Solange es Farben gibt, wird es auch Hoffnung geben.“
So endete die Geschichte des Prinzen mit dem Zauberpinsel – eine Geschichte voller Abenteuer, Freundschaft, Mut und der Kraft, die in jeder Farbe wohnt.




