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Das Glühwürmchen, das die Nacht reparierte - eine Geschichte zur Einschlafbegleitung

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit
Fenja schwebt im Wald über dem magischen Stein

In einem abgelegenen Teil des Waldes, wo die Bäume so hoch wuchsen, dass ihre Äste den Himmel fast berührten, lebte ein kleines Glühwürmchen namens Fenja. Fenja war anders als die anderen Glühwürmchen. Während ihre Freunde ihre Lichter ohne Mühe anzündeten, hatte Fenja immer wieder Schwierigkeiten.


Ihr Licht flackerte oft, und manchmal schien es ganz zu erlöschen. Doch sie war nie traurig darüber, weil sie wusste, dass das, was wirklich zählte, der Wille war, es zu versuchen.


An einem besonderen Abend, als der Mond wie ein silberner Teppich über den Wald spannte und die Sterne wie kleine Funken am Himmel flimmerten, bemerkte Fenja etwas Ungewöhnliches.


Die anderen Glühwürmchen flogen nicht wie üblich durch den Wald. Sie blieben still und in den Bäumen hing eine merkwürdige Dunkelheit, die nicht von der Nacht zu kommen schien. Es war eine Stille, die nicht zu der vertrauten Ruhe des Waldes passte.


„Warum ist es so dunkel? Warum flackern die Lichter nicht?“, murmelte Fenja vor sich hin und versuchte, ihre eigene kleine Flamme zu entzünden. Doch nichts passierte.

Sie flog zum alten Eichenbaum, wo die weise, alte Eule wohnte.


Die Eule war die Hüterin des Waldes und wusste immer, was zu tun war, wenn das Ungewöhnliche geschah. Fenja landete auf einem der Astzweige und rief nach der Eule.


Die Eule kam langsam aus dem Schatten und blickte nachdenklich zum Himmel. „Es ist die Nacht,“ sagte sie mit einer tiefen, rauen Stimme. „Die Nacht hat einen Riss bekommen.“


Fenja blinkte überrascht. „Ein Riss?“


„Ja,“ antwortete die Eule und sah dabei aus wie ein Schatten im Mondlicht. „Irgendwo zwischen den Sternen ist ein Spalt entstanden, und die Dunkelheit hat sich in den Wald geschlichen, um das Gleichgewicht zu stören.“ 


Ihre Augen glühten matt, als sie an das Unfassbare dachte. „Es wird nur eine kommen, die die Dunkelheit zurückbringt. Nur du kannst sie aufhalten.“


Fenja war verwirrt. „Aber ich... wie soll ich das tun? Ich bin nur ein kleines Glühwürmchen.“


Die Eule schüttelte langsam ihren Kopf. „Du bist nicht nur ein Glühwürmchen, Fenja. Du bist die Letzte, die das Licht in den Wald bringen kann. Deine Flamme trägt mehr, als du je verstehen wirst.“


Die Eule wandte sich ab und flüsterte: „Gehe zur Quelle der Nacht, dort wirst du die Antwort finden.“


Fenja hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber sie wusste, dass sie handeln musste. Sie verabschiedete sich von der Eule und machte sich auf den Weg. Die Dunkelheit war dichter als gewöhnlich, fast wie ein dichter Nebel, der sich um alles legte und alles verschlang.


Ihre eigenen Lichter flackerten in diesem Nebel, aber sie konnte den Weg nicht finden. Sie spürte eine seltsame Kälte, die ihr den Atem nahm, als sie weiterflog.


Sie kam an einen Ort, den sie noch nie zuvor gesehen hatte – ein großer, schwarzer Teich, dessen Wasser wie das tiefste Schatten schimmerte. In der Mitte des Teiches ragte ein seltsamer Felsen empor, auf dem ein schwaches Licht brannte. Es war kein gewöhnliches Licht. Es flimmerte in der Dunkelheit wie ein zerbrechlicher Stern, der sich mühsam hielt.


Fenja landete am Rand des Teiches und näherte sich dem Felsen. Das Licht war so schwach, dass sie fast glauben konnte, es sei nur ein Trugbild. Doch als sie näher kam, spürte sie, dass es wirklich da war. Ein geheimnisvolles Leuchten, das fast wie ein Flüstern klang.


„Was bist du?“ fragte Fenja leise.


Das Licht flackerte auf und eine Stimme antwortete – nicht mit Worten, sondern mit einer Welle von Gefühlen, die Fenja tief in sich spüren konnte. Es war ein Gefühl von Verlust, von etwas, das von den Sternen fortgerissen wurde.


„Ich bin das letzte Licht der Nacht,“ hauchte die Stimme, „und ich wurde von den Schatten verschluckt. Du bist die Einzige, die mich retten kann.“


Fenja wusste nun, dass sie nicht nur die Dunkelheit bekämpfen musste, sondern auch das verlorene Licht finden, das sich in den Schatten versteckt hatte. „Wie kann ich dir helfen?“ fragte sie.


Die Stimme antwortete: „Du musst den Felsen berühren, aber sei gewarnt – der Riss wird dich versuchen zu täuschen. Dein eigenes Licht wird dein einziger Führer sein.“


Fenja schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihr eigenes schwaches Leuchten. Zögerlich flog sie näher und berührte den Felsen. In diesem Moment schoss eine Welle kalter Dunkelheit über sie hinweg.


Sie spürte, wie die Dunkelheit versuchte, sie zu verschlingen, sie mit ihren kalten Fingern zu ergreifen. Aber Fenja ließ sich nicht abhalten. Sie konzentrierte sich auf ihr eigenes Licht, das sanft und stabiler wurde, je mehr sie daran dachte.


„Ich bin nicht allein,“ flüsterte sie, „ich bin nicht allein.“


Plötzlich begann der Felsen zu leuchten, und die Dunkelheit brach auf. Der Riss im Himmel begann sich zu schließen, und das Licht kehrte zurück, stärker als je zuvor. Fenja fühlte, wie sich die Schatten zurückzogen und die Sterne am Himmel erneut ihre Plätze fanden.


Als sie sich umdrehte, war der Teich ruhig, und die Dunkelheit hatte den Wald verlassen. Der Mond schien wieder klar und hell, und die Bäume im Wald begannen, sanft zu leuchten. Fenja fühlte sich erschöpft, aber auch erleuchtet. Sie hatte die Nacht repariert.


Die Eule erschien wieder, dieses Mal nicht als Schatten, sondern in einem warmen, goldenen Licht. „Du hast es geschafft, Fenja,“ sagte sie mit einem geheimen Lächeln.


„Der Riss ist geschlossen, aber die Nacht wird nie wieder dieselbe sein. Sie hat jetzt ein Geheimnis, das nur du kennst.“


Fenja nickte und sah in den klaren, sternenübersäten Himmel. Sie hatte die Dunkelheit nicht nur besiegt – sie hatte etwas anderes, viel tieferes berührt. Und in diesem Moment wusste sie, dass die Nacht ihre eigenen Geheimnisse hatte, die nur für die bestimmt waren, die bereit waren, in ihre Tiefen zu blicken.

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