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Lolas Reise zum tiefsten Punkt der Erde - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 27. Juni
  • 4 Min. Lesezeit
Lola schwimmt im Ozean

In einem farbenprächtigen Korallenwald irgendwo im unendlichen Blau des Pazifiks lebte ein junges Meerjungmädchen namens Lola. Sie war nicht größer als ein Delfinbaby, aber in ihrem Herzen trug sie den Mut eines ganzen Ozeans. Ihre Schwanzflosse schimmerte in Türkis, Lila und Silber, und ihre Stimme war so klar, dass sogar die Tintenfische neugierig lauschten, wenn sie sang.


Lola war kein gewöhnliches Meerkind. Während andere Meerjungfrauen im Tangtanz übten oder mit Seesternen Verstecken spielten, stellte Lola Fragen. Viele Fragen.


„Wie viele Fische gibt es auf der Welt?“, „Warum ist das Wasser in der Tiefe dunkler?“, „Gibt es einen Ort, den noch nie jemand gesehen hat?“


Am allermeisten beschäftigte sie jedoch eine einzige, große Frage: „Wie tief ist das Meer wirklich?“


Ihre Großmutter, die älteste und weiseste Meerjungfrau im Riff, erzählte oft Geschichten über einen geheimnisvollen Ort – einen Ort so tief, dass noch kein Sonnenstrahl ihn je berührt hatte.


„Dort unten“, sagte sie mit leiser Stimme, „leben Kreaturen, die wir uns nicht einmal vorstellen können. Manche sagen, dort sei der Eingang zum Herz des Planeten.“


Diese Vorstellung ließ Lola keine Ruhe. Eines Nachts, während der Himmel über dem Meer in Sternen glitzerte und das Wasser still wie Glas war, beschloss Lola, dass sie diesen Ort finden würde.


„Ich will den tiefsten Punkt der Erde sehen“, flüsterte sie in die Dunkelheit, „ich will dorthin, wo noch nie eine Meerjungfrau war.“


Sie bereitete sich gründlich vor. In ihrem Seetang-Rucksack packte sie:

  • eine Quallenlaterne, die mit leuchtendem Plankton gefüllt war,

  • ein Fläschchen warmer Blubberluft von den Thermalquellen,

  • getrocknete Algenbrote mit Krillfüllung für den Hunger,

  • eine Flosse voll Mut und Neugier.


Am nächsten Morgen verabschiedete sie sich von ihren Freunden, gab der Schildkröte Momo einen Nasenstupser und schwamm los – immer tiefer, immer weiter.

Zunächst wurde das Wasser dunkler, aber Lola fürchtete sich nicht.


Sie sang leise ein Lied, das ihre Großmutter ihr beigebracht hatte: „Tiefer als tief, weiter als weit – das Meer kennt kein Ende, nur Zeit.“


Schon bald traf sie auf eine Gruppe riesiger Mantarochen, die in einer langsamen Spirale durch das Wasser glitten. „Ihr sucht die Tiefe?“, fragte der größte von ihnen, ein alter Riese mit Narben auf den Flügeln.


„Dann folgt dem Tanz der Leuchtquallen. Sie führen euch dorthin, wo das Licht aufhört.“


Lola bedankte sich und folgte den Quallen, die wie kleine Monde durch das Wasser schwebten. Es wurde kälter. Die Farben verschwanden.


Das Licht ihrer Laterne wurde schwächer, aber ihr Herz wurde stärker. Auf ihrer Reise begegnete sie:

  • einem lebenden Kristallfelsen, der Klänge von sich gab wie ein Orchester,

  • einem Tunnel aus schwarzen Rauchern – heißen Quellen, die kochendes Wasser aus dem Erdboden spuckten,

  • einem Schattenschwarm aus hundert Tiefseefischen, die synchron in Herzform schwammen.


Dann, nach vielen Tagen und Nächten – denn Zeit war in dieser Tiefe nur noch ein Gefühl – kam Lola an eine gewaltige Unterwasserschlucht. Eine Wand aus schwarzem Fels erhob sich vor ihr wie eine Festung. Eine kleine Höhle leuchtete schwach. Davor saß ein sonderbares Wesen: Es war halb Fisch, halb Fossil, und seine Stimme klang wie das Knacken von alten Korallen.


„Du willst in den Marianengraben?“, fragte das Wesen langsam. „Dann musst du die drei Tore der Tiefe passieren: das Tor der Stille, das Tor des Drucks und das Tor der Erinnerung.“


Lola nickte mutig.


Das Tor der Stille war ein Ort, wo keine Geräusche existierten. Nicht einmal der eigene Herzschlag war zu hören. Lola musste lernen, ohne ihre Sinne zu vertrauen – nur mit Gefühl. Sie schloss die Augen, spürte die Wasserbewegungen, den schwachen Glanz der Tiefseealgen. So fand sie ihren Weg hindurch.


Das Tor des Drucks war eine Zone, in der das Wasser so stark auf ihren Körper drückte, dass selbst Wale nie dorthin kamen. Doch Lola hatte ein Geschenk ihrer Großmutter: ein kleiner Seestern aus Tiefenstein, der den Druck in Licht verwandelte. Sie hielt ihn fest an ihr Herz, und der Druck ließ nach.


Das dritte Tor, das Tor der Erinnerung, war das schwerste. Hier sah sie all ihre Ängste und Zweifel – sich allein, verloren, vergessen. Doch dann hörte sie in sich die Stimme ihrer Großmutter: „Du bist nie allein, wenn du dein Ziel kennst.“ Und plötzlich war der Weg frei.


Dann endlich, nach einer Reise, die länger dauerte als jede Gezeitenwelle, erreichte Lola den Challenger-Tief, den tiefsten Punkt der Erde. Es war still, weit und schwarz wie die Nacht selbst. Und doch war da Leben. Hunderte leuchtende Wesen schwebten durch das Dunkel, wie ein Tanz der Sterne. Da war ein durchsichtiger Oktopus, der im Dunkeln Geschichten mit seinen Armen malte.


Da war ein Fisch mit einer leuchtenden Stirnlampe, der lachte wie eine Schnecke. Und da war ein gewaltiger Kristallbaum, der in der Mitte des Grabens stand und jedes Jahr nur einen einzigen Lichtfunken ausstieß.

„Willkommen, Lola“, sagte eine Stimme, die aus dem Wasser selbst zu kommen schien. „Du hast das Herz des Ozeans gefunden.“


Lola drehte sich – niemand war zu sehen. Doch sie spürte, dass sie angekommen war. „Ist das das Ende?“, fragte sie leise.


„Nein“, sagte die Stimme, „es ist ein Anfang. Jetzt weißt du, wie groß die Welt wirklich ist – und wie tief du denken kannst.“


Mit einem Herzen voller Licht und einem Kopf voller Wunder machte sich Lola auf den Heimweg. Der Rückweg ging schneller, denn sie hatte nun die Richtung im Herzen. Als sie endlich wieder im warmen, flachen Riff ankam, wartete schon ihre Großmutter auf sie.


„Du hast das Meer gesehen, wie es kaum jemand kennt“, sagte sie leise. „Und was hast du gefunden?“


Lola lächelte. „Nicht nur Tiefe. Ich habe gefunden, dass Mut Türen öffnet, die größer sind als jeder Ozean.“


Dann schloss sie die Augen, und in ihren Träumen leuchteten Tiefseesterne, tanzten Mantarochen und sangen Quallen vom Herz des Planeten.


Ende.


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