Lenny und das Monster, das Sternenstaub sammelte - eine Gute-Nacht-Geschichte mit niedlichen Monstern
- Michael Mücke

- 10. Nov.
- 5 Min. Lesezeit

Lenny lag in seinem Bett und konnte einfach nicht einschlafen. Der Wind flüsterte durch die Bäume hinter seinem Fenster, und manchmal knackte ein Ast, als würde jemand draußen herumlaufen. Der Mond stand hell über den Dächern, und unzählige Sterne funkelten am Himmel. Es war eine dieser Nächte, in denen alles ein wenig magisch wirkte, als würde die Welt den Atem anhalten.
Lenny stützte sein Kinn auf die Hand und blickte hinaus. Es war so still, dass er sogar das Ticken der alten Uhr im Flur hören konnte. Doch dann bemerkte er etwas Seltsames: Ein schwaches, bläuliches Schimmern bewegte sich zwischen den Büschen. Erst dachte er, es sei ein Glühwürmchen, doch das Licht war zu groß, zu weich, und es bewegte sich viel zu zielstrebig.
Neugierig öffnete Lenny das Fenster. Ein leises Rascheln drang an sein Ohr, dann ein leiser Seufzer. „Oh nein, schon wieder verloren …“ hörte er eine winzige Stimme sagen. Lenny hielt den Atem an. „Hallo?“ flüsterte er.
Etwas Kleines trat aus dem Schatten. Es war kaum so groß wie eine Katze, rundlich und flauschig, mit dunkelblauem Fell, das im Mondlicht glitzerte, als wäre es mit winzigen Kristallen bestäubt. Die Augen leuchteten in einem sanften Silber, und auf dem Rücken trug es einen Beutel, der leicht klirrte, als wären darin tausend kleine Glasperlen.
„Ich bin Mumpf,“ sagte das Wesen und schnäuzte sich in ein Tüchlein, das fast größer war als sein Kopf. „Und du bist wach, obwohl du schlafen solltest. Menschenkinder schlafen doch nachts, oder?“
Lenny starrte fasziniert. „Ich konnte nicht schlafen. Was machst du denn hier draußen?“
Mumpf sah kurz zum Himmel, und sein Blick wurde ernst. „Ich sammle Sternenstaub,“ sagte er leise. „Sonst verlieren die kleinen Sterne ihr Leuchten, und dann können sie nicht mehr scheinen.“
Lenny runzelte die Stirn. „Wie meinst du das? Sterne sind doch weit weg. Sie gehen doch nicht einfach aus.“
Mumpf setzte sich auf den Fenstersims und zog den Beutel ab. Vorsichtig öffnete er ihn, und Lenny sah, dass darin winzige Körnchen funkelten wie Zucker im Sonnenlicht.
„Wenn Sterne alt werden, verlieren sie manchmal etwas Staub. Der fällt zur Erde herab, glitzert ein wenig und verschwindet dann. Aber die jungen Sterne – die kleinen – brauchen diesen Staub, um stark genug zu leuchten. Er ist wie Nahrung für ihr Licht.“
Lenny hörte gebannt zu. Mumpfs Stimme war weich, und jedes Wort klang, als trüge es ein Stück Nacht in sich. „Ich sammle diesen Staub und bringe ihn zurück in den Himmel. Ohne ihn würden die kleinen Sterne schwächer und trauriger. Manche würden sogar ganz verlöschen.“
„Das klingt nach einer wichtigen Aufgabe,“ sagte Lenny leise. „Machst du das jede Nacht?“
Mumpf nickte. „Schon sehr, sehr lange. Ich bin ein Hüter des Lichts. Es gibt nur wenige von uns. Wir wandern in der Dunkelheit, sammeln, was die Sterne verlieren, und geben es zurück, bevor der Morgen erwacht. Wenn wir es nicht tun, wird der Himmel ein kleines bisschen dunkler.“
Lenny sah zum Himmel hinauf. Zwischen den hellen Punkten entdeckte er tatsächlich einige, die kaum noch glimmten. Sie sahen müde aus, fast traurig. Er spürte, wie etwas Warmes in ihm aufstieg – ein Gefühl von Verständnis und Zuneigung für dieses kleine, fleißige Wesen.
„Kann ich dir helfen?“ fragte er schließlich.
Mumpf hob überrascht den Kopf. „Menschenkinder helfen uns nie. Sie schlafen oder träumen, aber sie sehen uns nicht.“
„Ich sehe dich doch,“ sagte Lenny bestimmt. „Und ich will helfen. Ich will, dass die Sterne wieder hell leuchten.“
Mumpf lächelte, und in seinen Augen glitzerte ein Schimmer, der fast wie Freude aussah. „Na gut. Aber du musst leise sein. Und vorsichtig. Sternenstaub ist empfindlich, er zerfällt, wenn man ihn zu grob anfasst.“
Lenny zog sich rasch einen Pullover über, öffnete die Tür und trat in den Garten. Der Boden war kühl, das Gras noch feucht vom Tau, und die Luft roch nach Erde und Nacht. Über ihnen spannte sich der Himmel wie ein tiefes Meer aus Licht.
Mumpf schritt durch das Gras, hielt plötzlich an und deutete auf eine Blume. „Siehst du das Schimmern auf den Blütenblättern? Das ist frischer Sternenstaub. Er fällt meist auf Dinge, die den Himmel lieben – Blumen, Wasser, Blätter, die sich nach oben recken.“
Lenny bückte sich und sah winzige, glitzernde Punkte, die so fein waren, dass sie fast verschwanden, wenn er blinzelte. Behutsam streifte er sie mit den Fingerspitzen ab und ließ sie in Mumpfs Beutel rieseln.
Während sie sammelten, erzählte Mumpf leise weiter. „Ich habe einmal erlebt, wie ein kleiner Stern erlosch. Er hieß Lila, und sie war wunderschön. Sie leuchtete über einem Meer, wo Kinder nachts gern in den Himmel schauten. Aber irgendwann wurde sie blasser und blasser. Ich konnte nicht genug Staub finden, um sie zu retten. Seitdem sammle ich jede Nacht, auch wenn ich müde bin.“
Seine Stimme bebte leicht, und Lenny spürte, dass Mumpf diese Arbeit nicht nur tat, weil er musste, sondern weil sie ihm am Herzen lag. Er wollte, dass niemand mehr verschwand wie Lila.
„Das ist traurig,“ flüsterte Lenny. „Aber du gibst den anderen Sternen Hoffnung.“
Mumpf nickte. „Ich tue, was ich kann. Jeder Funken zählt.“
Sie wanderten weiter, und die Nacht verging still. Überall entdeckten sie winzige Lichtpunkte – auf Steinen, an Zweigen, sogar auf Lennys Haar. Der Beutel füllte sich langsam, und Mumpfs Gesicht strahlte mit jedem Körnchen ein wenig heller.
Als am Horizont die ersten, blassen Streifen des Morgens erschienen, rief Mumpf: „Schnell! Wir müssen den Staub zurückschicken, bevor die Sonne ihn berührt!“
Sie liefen zum Waldrand, wo eine uralte Eiche stand. In einer Wurzel war eine kleine, silberne Öffnung eingelassen, wie ein Trichter, der direkt in den Himmel zu führen schien.
Mumpf stellte sich davor, öffnete seinen Beutel und flüsterte: „Steigt auf, kleine Funken. Findet eure Sterne und bringt ihnen Licht.“
Der Staub begann zu glühen, hob sich schwebend in die Luft und stieg langsam hinauf. Immer schneller, bis er in der Dunkelheit verschwand.
Dann geschah etwas Wunderschönes. Der Himmel begann zu glitzern, erst zart, dann immer heller. Die Sterne flackerten kurz auf, als würden sie sich bedanken. Lenny sah, wie auch die schwachen, müden Sterne wieder strahlten – hell, klar und glücklich.
„Siehst du?“ flüsterte Mumpf, sichtlich bewegt.
„Jetzt sind sie wieder stark. Jeder Funken Staub war wichtig.“
Lenny spürte, wie die Müdigkeit ihn überkam, aber auch eine tiefe, friedliche Wärme. „Ich wünschte, ich könnte dir jede Nacht helfen,“ murmelte er.
Mumpf lächelte sanft. „Vielleicht tust du das schon. Wenn du an die Sterne denkst und dich wunderst, warum sie so schön leuchten, dann hilfst du ihnen, heller zu scheinen. Gedanken können manchmal mehr Licht tragen, als man glaubt.“
Er schulterte seinen nun leeren Beutel, blickte ein letztes Mal zum Himmel und flüsterte: „Schlaf gut, kleiner Helfer.“ Dann verschwand er leise zwischen den Schatten.
Lenny ging zurück ins Haus, legte sich in sein Bett und schloss die Augen. Draußen funkelte der Himmel noch ein letztes Mal auf, als würde er ihm zuzwinkern. Und bevor Lenny in den Schlaf glitt, dachte er: „Vielleicht sammelt Mumpf jetzt für ein anderes Kind. Aber die Sterne wissen, dass ich ihnen heute Nacht geholfen habe.“




