Kuna, das Eskimo-Mädchen und die Nordlichter - eine besonders schöne Gute-Nacht-Geschichte
- Michael Mücke

- 25. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Kuna war ein Eskimo-Mädchen, das in einem kleinen, verschneiten Dorf am Rand des Arktischen Meeres lebte. Sie hatte braune Augen, die glänzten wie der Schnee im Sonnenlicht, und schwarze Haare, die sie oft zu einem langen Zopf band.
Es war ein kalter Winterabend, und der Himmel war so klar, dass man die Sterne sehen konnte, die wie winzige Diamanten am schwarzen Himmelszelt funkelten.
Es war eine besondere Nacht, denn der Wind hatte sich gelegt, und alles war still. „Heute wird es besonders schön werden“, sagte Kunas Vater, als er sie in die Arme nahm. „Die Nordlichter werden kommen.“
Kuna hatte schon oft von den Nordlichtern gehört. Sie waren die bunten Lichter, die im Winter nachts über den Himmel tanzten. Manchmal sahen sie aus wie grüne und blaue Schleier, die sich sanft bewegten, manchmal wie riesige Lichterbänder, die wild hin und her wogen. Aber noch nie hatte sie sie so lebendig gesehen, wie ihre Eltern es beschrieben hatten.
„Wann kommen sie, Papa?“ fragte Kuna neugierig, während sie in ihrem warmen Zelt unter der dicken Felldecke lag.
„Warte einfach, mein Schatz“, sagte ihr Vater mit einem Lächeln. „Schau einfach nach oben, wenn es dunkel wird.“
Kuna zog sich eine dicke Jacke an und schlüpfte aus dem Zelt. Der Schnee funkelte im Licht der Sterne, und die kühle Luft prickelte auf ihrer Haut. Sie lief durch das Dorf zu einem Hügel, von dem aus sie den besten Blick auf den Himmel hatte.
„Es ist still“, dachte sie, als sie sich auf den kalten Schnee setzte und nach oben schaute. Der Himmel war schwarz und klar, und es schien, als ob alle Sterne der Welt sich versammelt hätten, um die Nacht zu erleuchten.
Plötzlich bemerkte sie einen ersten Hauch von Bewegung. Am Horizont begann ein schimmerndes Licht, sich zu zeigen. Es war grün und leuchtete wie ein sanftes, flimmerndes Band. Es schien sich langsam zu bewegen, als ob es der Wind in die Nacht trug. Dann, wie von Zauberhand, verbreitete sich das grüne Licht und begann, die Nacht in zarte Farben zu tauchen.
„Es ist wirklich da!“ rief Kuna aufgeregt. Sie sprang auf und tanzte vor Freude im Schnee. Das Licht stieg höher und leuchtete jetzt in vielen verschiedenen Farben von einem tiefen Blau bis zu einem zarten Türkis. Es war, als ob der Himmel selbst eine riesige, farbenfrohe Decke aus Licht ausbreitete.
Die Nordlichter schwebten über den Himmel und wogten hin und her. „Schau, sie tanzen!“, rief Kuna und lachte laut. Die Lichter schienen sich im Rhythmus ihres Lachens zu bewegen, als wollten sie mit ihr spielen.
Es war ein wundervolles Schauspiel. Die Nordlichter zogen immer weiter über den Himmel und malten mit ihren Farben Geschichten in den Nachthimmel. Es sah aus, als ob der Himmel mit Wellen von Licht gefüllt war, die sich ständig veränderten, eine leuchtende Symphonie aus Blau, Grün und Violett.
Kuna setzte sich wieder in den Schnee und blickte nach oben. „Ich frage mich, woher sie kommen“, dachte sie nach. Die Lichter sahen so weit weg aus, so unendlich und geheimnisvoll. Doch sie wusste, dass sie irgendwie ein Teil von ihr waren.
„Kuna! Komm zurück ins Zelt!“, rief ihre Mutter von unten. „Es wird kalt!“
Kuna wollte sich gerade umdrehen, als etwas Unerwartetes passierte. Ein besonders heller Strahl der Nordlichter fiel direkt auf den Hügel, auf dem sie saß. Das Licht umhüllte sie sanft, als wollte es sie mit einer Decke aus Farben wärmen.
Für einen kurzen Moment fühlte sich Kuna, als ob die ganze Welt für sie da war, als ob die Lichter des Himmels ihr ein Geheimnis zuflüsterten, das nur sie verstehen konnte.
„Ich komme, Mama!“, rief sie fröhlich zurück und sprang auf.
Sie lief den Hügel hinunter, immer noch mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Die Lichter am Himmel veränderten sich weiter und tanzten im Wind, als ob sie sich von Kunas Freude anstecken ließen.
Als sie wieder zu ihrem Zelt zurückkehrte, war es bereits sehr spät, und der Himmel hatte sich wieder beruhigt. Doch Kuna wusste, dass die Nordlichter immer wieder zurückkehren würden und jedes Mal würde sie ein kleines Stück mehr von ihrem Geheimnis verstehen.
In dieser Nacht schlief Kuna tief und fest, mit einem Gefühl der Freude und des Staunens in ihrem Herzen. Die Nordlichter waren nicht nur ein wunderschöner Anblick, sondern auch ein kleines Stück Magie, das sie jedes Mal erleben würde, wenn der Winter in den hohen Norden zog.
„Ich werde sie wiedersehen“, flüsterte Kuna im Schlaf, als die ersten Sterne wieder über dem Dorf funkelten. „Und jedes Mal werden sie mich an ein weiteres Geheimnis erinnern.“




