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Dracolix der Wunschdrache - eine zauberhafte Geschichte für Kinder

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 29. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit
Dracolix der Wunschdrache sitzt zusammen mit Jonas im Wald

In einem abgeschiedenen Tal, das von dichtem Wald und stillen Hügeln umgeben war, lebte Dracolix, ein Drache, der älter war als die meisten Bäume, aber noch jung im Herzen. Seine Schuppen waren grau wie nasser Stein, doch wer ihm genau ins Gesicht sah, konnte dort ein sanftes, warmes Leuchten erkennen – als trüge er ein Stück Glut in sich, das nie ganz erlosch.


Dracolix war ein stiller Wächter seines Tals. Er liebte die langsamen Veränderungen der Jahreszeiten: das erste Grün im Frühling, das Summen der Insekten im Sommer, das Rascheln der trockenen Blätter im Herbst und die klare Kälte des Winters.


Er brauchte keinen Schatz und keine Krone. Er sammelte keine Goldmünzen, sondern Erinnerungen. Und manchmal, wenn er sich einsam fühlte, ging er zum alten Brunnen am Waldrand, wo er das leise Tropfen des Wassers hören konnte.


In jener Nacht, in der alles begann, lag Nebel über den Feldern. Dracolix hatte das Gefühl, dass etwas Unruhiges in der Luft lag – eine Art Kummer, der nicht zu ihm gehörte. Er schloss die Augen, lauschte in die Stille und hörte dann etwas, das anders war als Wind oder Regen: ein leises, gebrochenes Schluchzen.


Er folgte dem Klang, seine Schritte kaum hörbar auf dem feuchten Boden. Zwischen den Bäumen entdeckte er einen kleinen Jungen, der auf einem Stein saß. Der Junge war schmutzig, seine Kleidung zerrissen, und in seinen Händen hielt er eine alte, geflochtene Leine.


„Warum weinst du, kleiner Mensch?“ fragte Dracolix, und seine Stimme war tief, aber sanft, wie ein ferner Donner, der nichts Böses im Sinn hatte.


Der Junge blickte auf, die Augen rot vom Weinen. „Ich habe meinen Hund verloren,“ sagte er mit stockender Stimme. „Er ist fortgelaufen, weil ich geschrien habe. Ich wollte es nicht. Ich war nur wütend.“


Dracolix senkte langsam den Kopf, bis seine Augen auf der Höhe des Jungen waren. „Manchmal tut man etwas, was man nicht meint,“ sagte er. „Aber was zählt, ist, was man danach tut.“


Der Junge wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. „Ich heiße Jonas,“ sagte er leise.

„Ich bin Dracolix,“ antwortete der Drache. „Ich kann dich nicht einfach zu deinem Hund bringen. Aber ich kann mit dir suchen.“


Jonas nickte, und sie gingen los. Der Wald war still, nur das Knacken der Zweige und das Tropfen des Wassers auf die Erde waren zu hören. Dracolix lief langsam, damit Jonas Schritt halten konnte. Seine Flügel lagen eng am Körper, und seine Augen leuchteten schwach im Dunkeln.


„Wie lange ist er schon fort?“ fragte Dracolix nach einer Weile.


„Seit gestern Abend,“ antwortete Jonas. „Ich habe überall gesucht. Aber es wird immer dunkler, und ich hatte Angst.“


Dracolix blieb stehen, hob den Kopf und sog tief die Luft ein. „Ich rieche feuchte Erde, nasses Fell – und Angst,“ murmelte er. „Dein Freund ist nicht weit. Aber er versteckt sich.“


Sie folgten einer kaum sichtbaren Spur durch den Wald. An einer Stelle fanden sie kleine Pfotenabdrücke im Schlamm, an einer anderen ein Stück zerrissenes Seil. Jonas’ Herz klopfte laut, doch er blieb mutig.


Die Nacht wurde tiefer, und Nebel zog auf. Dracolix entzündete eine schwache Glut in seiner Kehle, sodass ein warmes Licht auf den Boden fiel. Jonas spürte, wie die Angst von ihm wich. „Du kannst wirklich Feuer machen?“ fragte er ehrfürchtig.

„Ein bisschen,“ sagte Dracolix und lächelte.


„Aber ich benutze es selten. Feuer ist wie Wut – stark, wenn man es kontrolliert, gefährlich, wenn man es nicht tut.“ Jonas schwieg, aber die Worte blieben in ihm.


Kurz vor dem Morgengrauen hörten sie ein Winseln. Zwischen zwei umgestürzten Bäumen, halb im Gebüsch, lag der kleine Hund. Sein Fell war nass, und sein Hinterbein war in einer Wurzel verfangen.


Jonas stürzte vor und befreite ihn vorsichtig. Milo, so hieß der Hund, leckte ihm das Gesicht, während Jonas lachte und weinte zugleich.

„Du hast ihn gefunden,“ sagte Dracolix ruhig.


„Ohne dich hätte ich es nicht geschafft,“ sagte Jonas. „Ich wollte schon aufgeben.“

Der Drache schüttelte den Kopf. „Du hättest nicht aufgegeben. Manchmal braucht man nur jemanden, der an einen glaubt.“


Sie machten eine Pause am Waldrand, während die ersten Sonnenstrahlen über die Hügel krochen. Jonas lehnte sich gegen Dracolix’ warme Seite, und Milo schlief auf seinem Schoß ein.


„Warum lebst du hier ganz allein?“ fragte Jonas nach einer Weile.


Dracolix sah in die Ferne. „Ich war früher anders,“ sagte er leise. „Ich wollte zu viel auf einmal ändern. Ich wollte jeden Wunsch erfüllen, den ich hörte. Aber ich habe gelernt, dass man nicht alles für andere tun kann. Manche Dinge müssen sie selbst finden.“


Jonas dachte darüber nach. „Und warum hilfst du mir dann?“


„Weil du ehrlich gesucht hast,“ antwortete der Drache. „Und weil dein Wunsch nicht aus Gier kam, sondern aus Liebe.“


Als die Sonne ganz aufgegangen war, begleitete Dracolix Jonas bis zur alten Mauer, hinter der das Dorf begann. Die Häuser waren noch still, nur aus einem Schornstein stieg Rauch auf.


Jonas blieb stehen. „Wirst du wieder verschwinden?“ fragte er.


„Ich bin nie ganz fort,“ sagte Dracolix. „Ich bin dort, wo jemand etwas sucht, das er fast verloren hat – Mut, Vertrauen oder Liebe.“

Jonas nickte langsam. „Dann werde ich dich nicht vergessen.“


Dracolix beugte sich hinunter, sodass sein Atem den Jungen warm umhüllte. „Und ich werde dich nicht vergessen, Jonas. Du hast mich erinnert, warum ich tue, was ich tue.“


Dann wandte er sich ab, verschwand zwischen den Bäumen, und sein grauer Körper löste sich im Morgenlicht auf wie Nebel.


Jonas stand noch eine Weile da, dann ging er mit Milo nach Hause. Niemand glaubte ihm später die Geschichte vom Drachen, der Wünsche verstand. Doch manchmal, wenn der Wind leise durch die Felder strich, glaubte Jonas, ein fernes Grollen zu hören – kein Donner, sondern ein Atemzug, der klang wie Dankbarkeit.


Und tief im Wald, in seiner Höhle unter den alten Steinen, legte sich Dracolix nieder, zufrieden und still. Ein weiteres Herz hatte gefunden, was es suchte. Und das war, was ihn am Leben hielt.

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