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Die Mitternachtsparade im Zoo - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 25. Juni
  • 4 Min. Lesezeit
Die Tiere des Zoos tanzen zur Parade

Die Sonne war schon vor einer Weile hinter den Hügeln verschwunden, und ein sanfter, bläulicher Dunst legte sich wie eine Decke über den Zoo am Stadtrand. Der Tag war warm gewesen, voller kichernder Kinderstimmen, raschelnder Popcorntüten und dem Gemurmel neugieriger Besucher.


Doch nun war alles still. Die Wege waren leer, die Lichter gelöscht, und sogar die Springbrunnen plätscherten nur noch leise vor sich hin.


Was niemand ahnte: Der Zoo war nachts keineswegs langweilig oder verschlafen. Nein – wenn der letzte Wärter das große Tor hinter sich schloss und die Schlüssel in seiner Hosentasche verstummten, dann begann die eigentliche Magie. Besonders in Nächten wie dieser. Denn heute war die hundertste Nacht nach der letzten Parade – und das bedeutete, es war wieder Zeit für die Mitternachtsparade.


Tief in der Krone eines alten, knorrigen Baums beim Affengehege wohnte der junge Waschbär Remo. Er war klug, neugierig und ein bisschen frech. Seine Augen glänzten wie Bernstein, wenn sie sich im Mondlicht spiegelten, und seine flinken Pfoten waren immer bereit für ein Abenteuer. Während die anderen Tiere schlummerten, saß Remo auf einem dicken Ast, den Blick nach oben gerichtet, und zählte die Sterne.


„Noch siebenundzwanzig… siebenundzwanzig Sekunden…“, murmelte er aufgeregt.


Neben ihm lag ein zusammengerollter Umhang aus Libellenflügeln, Spinnenseide und goldenen Federn. Den hatte er sich in monatelanger Arbeit selbst gebastelt. „Dieses Jahr tanze ich an der Spitze!“


Punkt Mitternacht ertönte aus dem alten Uhrturm in der Mitte des Zoos ein tiefes, metallisches BONG… BONG… – zwölf Mal. Und mit dem letzten Schlag begann es: ein leises Flirren in der Luft, wie das Rascheln von Seidenpapier, breitete sich über den Zoo aus.


Die Gitter der Gehege öffneten sich lautlos. Die Türen klickten wie von Geisterhand. Überall erleuchteten kleine Lichter den Boden – Glühwürmchen in Formation, die sich in Spiralen und Bögen bewegten und die Wege der Parade markierten.


Remo sprang von seinem Ast, landete elegant auf einem Holzgeländer und zog sich seinen Umhang über die Schultern. Der Stoff glitzerte wie Morgentau im Mondschein.


„Auf geht's!“, rief er mit leuchtenden Augen. „Die Nacht gehört uns!“


Zuerst erschien Leon, der alte Löwe, aus seinem Gehege. Seine Mähne war mit glühenden Bernsteinsteinen geschmückt, die im Dunkeln wie kleine Sonnen funkelten. Auf seiner Nase trug er eine goldene Brille, die er nur zu besonderen Anlässen hervorholte.


„Willkommen zur Parade der Wunder!“, brüllte er mit königlicher

Stimme. „Stellt euch in Reihen, bildet Kreise, lasst die Freude durch euch fließen!“


Nach und nach kamen die Tiere aus allen Winkeln des Zoos. Die Elefanten schmückten ihre Stoßzähne mit silbernen Glocken, die bei jedem Schritt klingelten. Die Giraffen hatten Umhänge aus glitzernden Blättern, die im Wind flatterten. Die Affen trugen kleine Trommeln auf dem Rücken und spielten einen rhythmischen Takt, der alle zum Wippen brachte.


Eine Herde Zebras betrat die Lichtung in elegantem Gleichschritt. Ihre schwarz-weißen Streifen waren mit leuchtenden Farben bemalt worden – von den Papageien, die den ganzen Tag über geübt hatten. Jedes Zebra sah aus wie ein wanderndes Kunstwerk.


„Platz da, Platz da! Die Flamingo-Formation kommt!“, rief eine helle Stimme. Es war Fanny, die älteste Flamingodame des Zoos. Ihr Gefieder war mit schimmerndem Staub bepinselt, der im Mondlicht silbern glänzte. Hinter ihr marschierten dreißig Flamingos in perfekter Reihe, jeder mit einem winzigen Spiegel auf dem Kopf, der das Licht in alle Richtungen warf.


Remo hüpfte über die Köpfe der Gänse, durch einen Tunnel aus Hasenohren und landete schließlich auf dem Rücken von Elio, dem jüngeren der beiden Elefantenzwillinge.


„Danke für die Mitfahrgelegenheit!“, sagte er fröhlich.

„Solange du mir nicht in die Ohren krabbelst, bist du willkommen!“, antwortete Elio schmunzelnd und stapfte weiter.


Der Weg der Parade führte durch den gesamten Zoo. Sie zogen am Reptilienhaus vorbei, wo die Chamäleons ein Farbfeuerwerk veranstalteten. Auf Knopfdruck wechselten sie von Blau zu Orange, von Lila zu Türkis – wie lebende Kaleidoskope. Die Schildkröten rollten leuchtende Kugeln vor sich her und bildeten dabei eine eigene Lichtspur.


Beim Pinguinbecken wurde eine kurze Pause eingelegt. Dort servierte Ping der Pinguinchef selbstgemachtes Eis aus gefrorenen Beeren. Die Bären tanzten währenddessen einen langsamen, stampfenden Tanz, bei dem der Boden bebte, aber niemand Angst hatte. Die jüngsten Tiere – ein Wiesel, zwei Loris und ein kleiner Rüsselspringer – führten einen Trickwettbewerb auf, bei dem sich alle kugelten vor Lachen.


Doch der Höhepunkt der Parade war das Karussell. Es stand auf der großen Wiese im Zentrum des Zoos, und niemand wusste, wie es dorthin kam. Es bestand aus riesigen, leuchtenden Blüten, drehenden Pilzen und kreisenden Libellen. Der Antrieb war ein Geheimnis – es bewegte sich, als würde es von der Musik selbst getragen.


„Karussell der Träume, bereit zur Fahrt!“, rief Pepito, der bunte Papagei, der als Zeremonienmeister diente.


Remo sprang auf eine drehende Blume und lachte laut. Neben ihm saß Pia, die schwarze Pantherdame, die fast nie sprach, aber nun fröhlich schnurrte. Über ihnen wirbelten Eulen, und unter ihnen tanzten Mäuse in winzigen Westen.


Das Karussell drehte sich schneller, die Musik wurde lauter, und die Sterne am Himmel begannen mitzuwippen, als könnten sie den Rhythmus spüren. Über dem Zoo erschien ein leuchtender Nebel in Form einer Spirale, der alle Farben des Regenbogens zeigte.


Die Tiere jubelten, riefen durcheinander:

„Ich kann fliegen!“, „Das ist besser als jeder Traum!“, „Hoch hinaus, tief hinein, lasst uns niemals enden!“


Doch wie jede Nacht, musste auch diese enden. Als der erste Sonnenstrahl die Mauern des Zoos berührte, verstummte die Musik langsam. Die Glühwürmchen verschwanden, das Karussell wurde durchsichtiger, bis es sich in Nichts auflöste. Die Tiere begaben sich ruhig zurück in ihre Gehege, müde, aber glücklich.


Leon hob noch einmal seine Pranke und sagte mit tiefer Stimme: „Was wir erlebt haben, bleibt in unseren Herzen. Bis zur nächsten Nacht der Wunder.“


Remo stieg wieder in sein Baumhaus. Sein Umhang war zerrupft, seine Pfoten schmutzig, aber sein Herz war so leicht wie nie zuvor.


Er kuschelte sich in sein Nest, sah dem letzten Glühwürmchen nach und flüsterte:

„Ich werde jeden Stern zählen, bis es wieder soweit ist.“


Dann schloss er die Augen – und im Wind, der durch die Blätter rauschte, klang es, als würde der Zoo im Schlaf weiter tanzen.


Ende.


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