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Die geheime Tür im Museum - Gute-Nacht-Geschichte

  • Autorenbild: Michael Mücke
    Michael Mücke
  • 2. Mai
  • 4 Min. Lesezeit

Leo steht vor der geheimen Museumstür

Es war ein windiger Herbsttag, als Leo zum ersten Mal das große Naturkundemuseum betrat. Draußen tanzten bunte Blätter durch die Luft wie kleine Drachen, die sich gegenseitig jagen. Leo war sechs Jahre alt, trug seine Lieblingsmütze mit dem roten Feuerdrachen und hatte eine ganz besondere Gabe: Er stellte Fragen. Viele Fragen. Den ganzen Tag.


„Wie schlafen Fledermäuse kopfüber, ohne runterzufallen?“ „Wie viele Knochen hat ein Dinosaurier?“ „Warum glitzern Edelsteine im Dunkeln?“


Manchmal lachten die Leute über seine Neugier. Aber seine Oma hatte ihm mal gesagt: „Wer viele Fragen stellt, der findet irgendwann auch Antworten, die andere übersehen.“


Heute war so ein Tag.


Im Museum war es angenehm warm. Die Luft roch nach altem Holz, Staub, Abenteuer und… etwas, das Leo nicht benennen konnte. Vielleicht nach Geschichte. Vielleicht nach Magie.


Er lief mit seinen Eltern durch die hohe Eingangshalle, vorbei an einem riesigen Mammut, das seine Stoßzähne stolz in die Luft reckte. Seine Mutter blieb stehen und las eine Tafel über ausgestorbene Tiere vor, doch Leo schlich langsam weiter.


Irgendetwas zog ihn magisch an. Ein Flüstern, fast unhörbar.

„Komm näher… nur ein kleines Stück…“


Leo blinzelte. Hatte das jemand gesagt? Oder war es der Wind draußen? Nein, der kam nicht so tief hinein. Das Flüstern kam aus einer Ecke, die ganz in Schatten lag, zwischen zwei Ausstellungen: „Die Welt der Edelsteine“ und „Vergessene Königreiche“.


Er tappte näher. Zwischen zwei dicken Säulen stand eine unscheinbare Holztür – aber keine moderne Tür mit Metallschloss oder Glasscheibe. Diese Tür war aus dunklem, knorrigem Holz, mit feinen Rankenmustern darauf, und in ihrer Mitte war ein kleiner, messingfarbener Griff in Form einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss.


„Diese Tür stand vorhin noch nicht hier“, dachte Leo. Und da war das Flüstern wieder. „Komm näher… nur du kannst sie öffnen.“


Er sah sich um – niemand war da. Ganz vorsichtig legte er die Hand auf den Griff.

KRKKK…


Mit einem leisen Knarren öffnete sich die Tür, und ein schmaler Gang lag dahinter, schwach erleuchtet von flackernden, blauen Kristallen in den Wänden. Leo trat ein – ein bisschen ängstlich, aber vor allem neugierig. Die Tür schloss sich lautlos hinter ihm.


„Wo bin ich?“, flüsterte Leo.


Nach ein paar Schritten hörte er ein merkwürdiges Geräusch – wie das Ticken einer sehr alten Uhr. Und dann: eine Stimme.


„Du bist mutiger, als du aussiehst, Leo.“


Leo erschrak. Vor ihm stand ein kleines, seltsames Wesen: etwa so groß wie ein Hase, mit flauschigem Fell, einer winzigen Weste und einem riesigen Hut, der ihm bis über die Augen reichte. Sein Schwanz war lang und kringelte sich wie eine Feder.


„Ich bin Professor Flitzbaum, geheimer Hüter des Verborgenen Museums.“

„Verborgenes Museum?“, fragte Leo.


„Oh ja“, nickte der Professor, „unter dem normalen Museum gibt es ein zweites, das niemand kennt. Es ist voller vergessener Dinge, geheimer Geschichten und verborgener Wunder – und nur ganz wenige Menschen dürfen es betreten. Aber du hast die Tür gefunden. Das heißt: Du bist auserwählt.“


Leo staunte.


„Aber warum ich?“


„Weil du glaubst, dass hinter jeder Tür ein Geheimnis stecken könnte. Komm – wir haben nicht viel Zeit.“


Der Professor sprang voran, und Leo folgte ihm durch ein Labyrinth aus Tunneln und Räumen: ein unterirdisches Labyrinth aus Magie und Geschichte.

Da war:

  • Der Saal der Flüstergemälde, in dem Porträts aus vergangenen Jahrhunderten ihre Geschichten flüsterten, sobald man ihnen in die Augen sah. Ein Piratenkapitän zwinkerte Leo zu und sagte: „Der größte Schatz ist nicht Gold, sondern Mut.“


  • Der Gang der wandelnden Uhren, wo jede Uhr rückwärts lief und andere Zeiten zeigte – in einer sah Leo sich selbst auf einem fliegenden Teppich über Wüsten schweben!


  • Der Garten der Gedankenpflanzen, in dem Pflanzen wuchsen, die auf Gefühle reagierten. Als Leo an einer Blume vorbeiging und an seine Oma dachte, begann sie, leise zu summen und nach Vanille zu duften.


Nach einer Weile kamen sie zu einer schweren Tür aus Stein. Professor Flitzbaum wurde ernst.


„Dahinter liegt das verlorene Zimmer. Es wurde vor Jahrhunderten von einem Kind entdeckt – dem ersten, das wie du durch die geheime Tür trat. Aber etwas stimmt nicht mehr dort. Etwas… ist durcheinander.“


Leo schluckte. „Was meinst du?“


„Ein Traumwesen ist entflohen. Ein Albtraum, den jemand vergessen wollte. Wenn er bleibt, verblassen die Erinnerungen an die schönen Dinge. Nur du kannst ihn aufhalten – denn er hört nur auf die Stimme eines Kindes.“


Leo zögerte. Aber dann erinnerte er sich an den Piraten, der ihm Mut gewünscht hatte.

„Ich mach’s“, sagte er. „Ich geh da rein.“


Drinnen war es kalt und dunkel. Alles schien grau, vergessen, still. In der Mitte saß ein Schattenwesen, groß wie ein Pferd, mit zitternden Flügeln und leeren Augen.

„Wer bist du?“, rief Leo.


Das Wesen knurrte: „Ich bin Angst. Niemand will mich. Alle sperren mich weg.“

Leo trat näher. „Aber jeder hat Angst. Das ist okay. Man muss sie nur anschauen. Dann wird sie kleiner.“


Das Wesen zitterte. Es wurde… durchsichtiger. Und dann – puff! – wurde es zu einer winzigen, schwarzen Feder, die sanft zu Boden segelte. Leo hob sie auf und spürte: Sie war ganz warm.


Professor Flitzbaum trat hinter ihn. „Du hast es geschafft. Du hast gesehen, was andere nicht sehen wollen und das macht dich zum Hüter der Geheimnisse.“


Sie gingen zurück durch die Tunnel, vorbei an flüsternden Gemälden, sprechenden Uhren und singenden Pflanzen. Als Leo durch die geheime Tür zurück ins Museum trat, war es, als wären nur ein paar Minuten vergangen.


Seine Eltern standen noch immer beim Tintenpult.

„Na, hast du was Interessantes gefunden?“, fragte seine Mutter.


Leo lächelte. In seiner Hosentasche steckte nun eine kleine, warme Feder – und ein Schlüssel, winzig, aber leuchtend.


„Oh ja“, sagte Leo. „Aber das erzähl ich euch… später.“


Und wenn du nachts träumst, hör genau hin – vielleicht flüstert dir das Museum zu. Vielleicht wartet hinter deinem Kleiderschrank, unter deinem Bett oder in deinem Bücherregal auch eine geheime Tür.


Du musst nur zuhören.


Gute Nacht, Abenteurer.

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